Ärzte, die nach der Praxisübergabe ihre Kassenpraxis aufgaben und nun in reinen Privatpraxen arbeiten, berichteten auf dem vierten Bundeskongress für Privatmedizin über ihre Erfahrungen. Kaum Zeit für die Patienten, wenig Geld und entsetzlich viel Formularkram und Bürokratie waren die Gründe, warum die Kollegen den Schritt nach dem Praxis kaufen zur reinen Privatpraxis wagten. Der Krefelder Arzt Dr. Karl Boden, seit 1995 niedergelassen, gab seine Kassenpraxis und den KV-Sitz 2009 auf.
Nach der Praxisabgabe verkaufte er seine KV Zulassung nicht, sondern verzichtete auf sie. Anfangs war es schon sehr komisch, so der Arzt Dr. Boden, denn das Wartezimmer war leer, viele Patienten wanderten nach dem Arztpraxis kaufen ab. Das ging ein halbes Jahr so und die Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung fehlten schmerzlich. Nach dem Praxisverkauf erhilet er in seiner Arztpraxis Anfeindungen von Kollegen, die ihm Rosinenpickerei vorwarfen.
Nach dem Praxiskauf kurze Wartezeiten und gute ärztliche Betreuung
Doch schnell sprach sich herum, dass die Wartezeiten in der Arztpraxis minimal sind und dass der Arzt sich für seine Patienten Zeit nimmt. Nach nunmehr jehrelanger Erfahrung mit der Privatpraxis bereut Dr. Boden den Schritt nicht. Die Kassenpatienten kehren nach und nach zurück. Mittlerweile betreut Dr. Boden täglich etwa 15 Patienten. Finanziell, sagt er, geht es ihm besser als zuvor. Kollegen, die den Schritt wagen wollen, rät er zu Geduld von mindestens zwei bis drei Jahren.
Unerlässlich seie ein kommunikationsstarkes Praxisteam, das Herausarbeiten eines Alleinstellungsmerkmals der Arztpraxis, das richtige Praxismanagement und der Nutzen für die Patienten. Also eigentlich alles Attribute, die auch Bestandteil bei einer Arztpraxis Neugründung sein sollten. Dann könne eigentlich nichts schief gehen.
Die Allgemeinärztin Dr. Birgit Hickey ist seit zehn Jahren rein privatärztlich tätig. Sie hat sich auf die systemische Medizin und Familientherapie spezialisiert und stellt damit keine Konkurrenz für andere Hausärzte dar. Die Kollegin, die vorher zehn Jahre lang eine Kassenarztpraxis führte, berichtet über deutlich mehr Lebensqualität und eine ausgewogenere ärztliche Work-Life Balance. Sie müsse nicht mehr täglich am Rande des Burnouts leben. Ärzte aus chirurgischen Privatpraxen berichten über höchstens vier Operationen am Tag.
Kann eine chirurgische Privatpraxis auf dem platten Land funktionieren, fragte sich auch Professor Dr. med. Rene Holzheimer, der sich über die schlechten Rahmenbedingungen im KV System ärgerte. Als er der bayerischen Krankenkassen 2003 unterbreitete, dass das Risiko eines erneuten Leistenbruchs nach einer Hernienoperation bei ihm im mehr als zweistelligen Bereich niedriger als üblich sei, zeigte die KV jedoch kein Interesse an einer vertraglichen Zusammenarbeit. Heute arbeitet der Chirurg nur privatärztlich und führt täglich maximal vier Operationen durch.