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Dos and Donts beim Praxiskauf

Wertvolle Tips zur Praxisübernahme

In beliebten Regionen und Städten kann es schwierig sein, eine eigene, geeignete Arztpraxis zu finden, KV-Sitze werden sogar halbiert und geviertelt. Ein zunehmender Aufkauf von KV-Sitzen durch investitionsstarken MVZ machen die Praxisübernahme nicht einfacher. Bei der Suche nach der geeigneten Praxis sollte man sich auf jeden Fall viel Zeit lassen, da ein späterer Praxisstandortwechsel sehr teuer und aufwendig werden kann. Entscheidend ist wie bei Immobilien die Lage, Lage, Lage. Wir empfeheln, vor einer Praxisübernahme eine Standortanalyse und ein Gemoarketing durchzuführen.
Welche konkurrierenden Fachgebiete gibt es in der Umgebung der anvisiertenArztpraxis? Wie viele Privatpatieten und Selbstzahler gibt es? Wie hoch ist der Kaufkraftindex? Wie entwockeln sich die Immobilienpreise an dem geünschten Praxistandort? Wie frequentiert ist die Gegend? Gibt es eine gute Anbindung an den OPNV und Patientenparkplätze?
Dos and Donts beim Praxiskauf für Ärzte
Wertvolle Tipps zur Praxisübernahme


Wirtschaftliche Faktoren (Kaufpreis, Finanzierung, Bewertung, Steuern)

Praxisbewertung: Lassen Sie den Kaufpreis professionell ermitteln. Praxiswert setzt sich aus Substanzwert (Ausstattung) und Goodwill (immaterieller Wert, Stamm und Ruf) zusammen. Empfehlenswert ist die modifizierte Ertragswertmethode oder eine Kombination mit der Ärzte­kammer­methode. Ein durchdachtes Gutachten schafft eine verlässliche Basis und beugt Steuerproblemen vor.
Kosten realistisch kalkulieren: Rechnen Sie mit höheren Anschaffungskosten als bei einer Neugründung, da Goodwill, Einrichtung und eventuelle Renovierungen hinzukommen. Berücksichtigen Sie auch anstehende Investitionen (z.B. Geräte, Umbauten, Digitalisierung). Führen Sie einen soliden Businessplan, um Ihre Annahmen zu überprüfen und Banken zu überzeugen.

Finanzierung sichern: Sorgen Sie für ausreichend Eigenkapital, da eine reine Fremdfinanzierung oft teuer wird. Bauen Sie Ihre Finanzierung auf mehreren Säulen auf: Eigenmittel, klassischer Bankkredit und Förderkredite (z.B. KfW, KV, BA). Lassen Sie sich von spezialisierten Bankberatern und Fördermittel­experten beraten. Tipp: Holen Sie Angebote von Krankenkassenbank oder Förderinstituten ein, die Heilberufen vertraut sind.
Steuern und Abschreibungen: Strukturieren Sie den Kaufpreis steuerlich klug. Für den Käufer sind Substanzwert (Inventar) und Praxiswert (Goodwill) meist abnutzbare Wirtschaftsgüter. Beide können abgeschrieben werden – üblicherweise über 3–10 Jahre nach aktueller BFH-Rechtsprechung. Wichtig: In manchen Fällen (z.B. Erwerb einer GmbH-Anteile) oder in überversorgten Regionen kann der reine KV-Sitzwert nicht abzugsfähig sein.
Wirtschaftliche Faktoren beim Praxiskauf


Organisatorisches (Personal, Technik, Patientenstamm, Praxissoftware)

Team und Weiterbildung: Fördern Sie den Einstieg, indem Sie Einarbeitung und Vertrauen schaffen. Übernehmen Sie das Praxisteam im alten Zustand, ändern Sie Arbeitsverträge nur in Abstimmung – viele Regelungen (Gehälter, Urlaub) bleiben bestehen. Planen Sie Fortbildungen oder Team-Meetings, um Arbeitsabläufe zu verstehen und bei Bedarf zu modernisieren (z.B. neue Fachrichtungen, Qualitätsmanagement). Praxisausstattung und IT: Prüfen Sie Praxisverwaltungssystem (PVS), Abrechnungssoftware und medizinische IT auf Aktualität. Führen Sie (falls gewünscht) einen Softwarewechsel mit Datenmigration vorsichtig durch – sorgen Sie für revisionssichere Archivierung und genügend Einarbeitungszeit. Nutzen Sie die Übernahme als Chance für digitale Optimierung.

Tipp: Halten Sie beim Umzug Ihre bekannten Nummern (Telefon, Fax, E-Mail) sowie Online-Terminportale aufrecht, um keinen Kontakt zum Patientenstamm zu verlieren. Patientenstamm pflegen: Ein stabiler Patientenstamm ist der größte immaterielle Wert. Kommunizieren Sie transparent mit der bestehenden Patientschaft, um Wechselängste zu minimieren. Orientieren Sie sich zunächst an den vorhandenen Leistungen und erweitern Sie das Spektrum nur schrittweise. Große Abweichungen vom vertrauten Leistungsportfolio können zu Patientenverlust führen.

Organisatorische Tipps beim Praxiskauf und Praxisübernahme
Praxisräume und Infrastruktur: Prüfen Sie vor der Übernahme alle laufenden Versorgungsverträge (Strom, Wasser, Heizung, Internet, Telefon) – es kann sich lohnen, günstigere Konditionen auszuhandeln oder einen günstigeren Anbieter zu wählen. Bei einem Umzug oder Umbau: Beachten Sie Zulassungsauflagen (z.B. Barrierefreiheit, Raumgröße) und beantragen Sie nötige Genehmigungen rechtzeitig.


Strategische Planung (Standort, Zukunft, Wettbewerb, Spezialisierung)

Standortanalyse: Untersuchen Sie Region und Lage gründlich: Wie hoch ist die Bevölkerungsdichte, und wie entwickelt sie sich demografisch? Welche Einkommens- und Sozialstruktur prägt den Ort? Gibt es viele gesetzlich bzw. privat Versicherte?  Prüfen Sie die lokale Ärztedichte und vorhandene Fachrichtungen – in überversorgten Gebieten kann es schwieriger sein, neue Patienten zu gewinnen. Tipp: Ländliche Standorte sind oft unterversorgt und werden durch Zulagen und Förderung (Praxisförderung, Landarzttitel) unterstützt.

Patientenpotenzial: Bewerten Sie den bestehenden Patientenstamm: Wie viele Stamm- vs. Laufkund:innen gibt es? Sind kassenärztliche Versorgungsverträge (HZV, DMP) vorhanden und übernehmbar? Beachten Sie, dass Patientenbindung nicht garantiert ist – investieren Sie in Erhalt und Ausbau (z.B. digitales Marketing, Weiterempfehlungen).

Wettbewerb und Spezialisierung: Ermitteln Sie Ihr Alleinstellungsmerkmal. Ein zusätzlicher Fachbereich oder Spezialisierung (z.B. Kinder, Sportmedizin, Telemedizin) kann neue Patientengruppen ansprechen. Achten Sie aber auf Übereinstimmung mit Ihrem Vorgänger: Ein zu radikaler Richtungswechsel kann Stammpatient:innen verschrecken. Beobachten Sie Praxen in der Umgebung: Gehören sie zu MVZ, bieten sie ähnliche Leistungen an? Nutzen Sie Netzwerke, lokale Ärzteverbände oder Fachzeitschriften, um potenzielle Kooperationen oder Spezialisierungschancen zu erkennen.

Strategische Tipp zum Praxiskauf und Praxisübernahme
Wachstumsplanung: Legen Sie mittelfristige Ziele fest (Einkommens-, Investitions- und Personalplanung). Planen Sie Expansion oder Ausbau (z.B. zusätzliche Behandlungsangebote, Filialen) erst nach der erfolgreichen Etablierung. Erstellen Sie ein realistisches Liquiditäts- und Umsatzbudget für die ersten Jahre. Nur so vermeiden Sie Finanzierungsengpässe, wenn Kredite getilgt werden müssen.


Häufige Fehler und Risiken beim Praxiskauf

Unzureichende Due Diligence: Gehen Sie auf Nummer sicher: Führen Sie eine gründliche Risikoprüfung durch. Oft fehlt Zeit oder Sorgfalt bei der Analyse von Patientenstruktur, Auslastung und Vertragsdetails. Ein systematisches Due-Diligence-Verfahren (ggf. mit Checklisten für Finanzen, Verträge, Haftungsfragen) hilft, böse Überraschungen zu vermeiden. Tipp: Ziehen Sie von Anfang an spezialisierte Anwält:innen und Steuerberater:innen hinzu, diese finden z.B. versteckte Risiken im Praxisübernahmevertrag und kalkulieren alle steuerlichen Konsequenzen mit.

Falsche Finanzierung: Verplanen Sie nicht nur die anfänglichen Investitionen. Fehler sind z.B. zu niedrige Zinsrücklagen oder unzureichende Tilgungsplanung. Informieren Sie die Banken umfassend über Ihre Pläne und sichern Sie sich Förderzuschüsse (Landarzt­förderung, Gründerzuschuss) bevor Vertragsabschlüsse final sind. Zahlreiche Probleme lassen sich vermeiden, wenn Finanzierung und Geschäftsplan wirklich zusammenpassen.

Patientenverlust: Ein häufiger Fehler ist die Überschätzung des Stammkundenanteils. Patienten bleiben in der Regel nur bei demselben Arzt in Behandlung, wenn sie zufrieden sind. Vernachlässigen Sie daher die Praxisübergabe Kommunikation nicht: Informieren Sie die Patienten frühzeitig über die Änderung und bauen Sie Vertrauen auf.

Überschätzung von Infrastruktur: Verfolgen Sie nicht blind historische Abläufe. Beispiel: Ein Arzt betrieb zwei nahe beieinanderliegende Teilpraxen und verlor kräftig Geld durch doppelte Fixkosten und unnötige Fahrzeiten. Prüfen Sie, ob alle Angebote wirtschaftlich sind – etwa ob Genehmigungen für bestimmte Leistungen (Ultraschall etc.) vorliegen, damit sie auch abgerechnet werden können. Oft erweisen sich redundante Standorte oder schwach ausgelastete Geräte als Kostenfalle.
Häufige Fehler beim Praxiskauf

Vertragsfallen übersehen: Lassen Sie Übernahmeverträge fachanwaltlich prüfen. Achten Sie besonders auf Regelungen zur Mängelhaftung, Garantien oder stillschweigenden Nebenabsprachen. Beispiel: Oft wird vergessen, den Mietvertrag oder Software-Lizenzen offiziell umzuschreiben – was später teuer nachzuholen ist. Sind Sie unsicher, ob die Verträge korrekt übernommen werden (z.B. Kontinuität einer KV-Nummer, Belegarztstatus, Subventionen), holen Sie rechtlichen Rat ein.

Fazit: Erfolgreiche Praxisübernahme – mit Strategie und Weitblick
Der Kauf einer Arztpraxis bietet eine hervorragende Möglichkeit, den Schritt in die Selbstständigkeit mit einem bestehenden Patientenstamm, eingespielten Abläufen und vorhandener Infrastruktur zu wagen. Sie birgt aber auch rechtliche, finanzielle und organisatorische Herausforderungen, die nur mit sorgfältiger Planung zu bewältigen sind.

Dos bei der Praxisübernahme
Dos bei der Praxisübernahme
  • Führen Sie eine strukturierte Due-Diligence-Prüfung durch, um Risiken zu erkennen.
  • Kommunizieren Sie offen mit dem Team und den Patient:innen, um Vertrauen zu erhalten.
  • Planen Sie mittelfristig: Standort, Wettbewerb und Wachstumspotenzial müssen zur persönlichen Vision passen.
  • Nutzen Sie Förderprogramme und Abschreibungsmöglichkeiten gezielt, um finanzielle Belastung zu minimieren.

Donts bei der Praxisübernahme
Donts bei der Praxisübernahme
  • Unterschätzen Sie nicht die rechtlichen Verpflichtungen bei Personalübernahme, Datenschutz und KV-Zulassung.
  • Verlassen Sie sich nicht blind auf den vom Verkäufer genannten Praxiswert.
  • Planen Sie keine zu schnellen Änderungen im Leistungsangebot oder der Praxisstruktur – Beständigkeit gibt Sicherheit.
  • Gehen Sie keine vertraglichen Verpflichtungen ein, ohne vorherige rechtliche Prüfung.

Praxiskauf - Werde Dein eigener Chef
Mit fundierter Vorbereitung, externer Expertise und einer klaren Strategie lässt sich eine Praxisübernahme sowohl im Einzel- als auch im Gemeinschaftsmodell erfolgreich umsetzen. Der Schlüssel liegt im Gleichgewicht zwischen Respekt vor dem Bestehenden und dem Mut, die Praxis zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Wer die wichtigsten Do’s und Don’ts kennt und umsetzt, legt den Grundstein für eine langfristig erfolgreiche Tätigkeit in der eigenen Niederlassung.

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Dr. med. Anett Kleinschmidt
18.06.2024

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