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Verbesserte Work-Life Balance nach der Praxisübernahme

Flexibilisierung der ärztlichen Tätigkeit und Jobsharing nach dem Praxiskauf

In den vergangenen Jahren ist durch vielfältige gesetzliche Neuregelungen insbesondere die vertragsärztliche Tätigkeit im Rahmen der Praxisübergabe deutlich flexibilisiert worden. Wesentliche Grundlage dieser Flexibilisierung war das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz mit einer Reihe gesetzgeberischer Vorgaben, die die ärztliche Versorgungslandschaft deutlich verbessern und die Praxisabgaben vereinachen soll.

Die Praxisbörse berichtet im folgenden über das neue Versorgungsstrukturgesetz, dass der Flexibilisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit Rechnung tragen und zu einer verbesserten Work-Life Balance nach der Praxisübernahme führen soll.

1. Rückumwandlung von Arztstellen

Mittlerweile werden deutschlandweit eine Vielzahl von Ärzten auf Arztstellen als angestellte Ärzte tätig. Anders als beim Job-Sharing Anstellungsverhältnis vermitteln diese Arztstellen abrechnungstechnisch eigene Budgets und sind häufig dadurch entstanden, dass ein niedergelassener Vertragsarzt auf seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten eines Dritten verzichtete, um zukünftig nach der Praxisabgabe für diesen als Angestellter tätig zu werden. Wohingegen Klarheit bestand, wie diese Arztstellen geschafft werden konnten, gab es bislang legislativ keine Grundlage für eine Rückumwandlung, die nunmehr mit dem Versorgungsstrukturgesetz geschaffen wurde.

Derjenige, dem die entsprechende Arztstelle, auf der ein oder mehrere Angestellte tätig werden, zugeordnet ist, kann beim zuständigen Zulassungsausschuss beantragen, dass sie in eine solche für einen freiberuflich tätigen Vertragsarzt umgewandelt werden soll. Stellt er im Rahmen dieses Antrages nicht gleichzeitig einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens, wird dem bislang auf der Arztstelle tätigen Arzt die Zulassung übertragen, er kann sodann mit dieser als freiberuflicher Vertragsarzt tätig werden.

Die Möglichkeit der Umwandlung in diesem Sinne gilt jedoch nur dann, wenn die Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen oder zumindest halben Versorgungsauftrag entsprach. Auf die vorstehend beschriebene Art und Weise kann beispielsweise ein Arzt zunächst als Angestellter auf Probe für einen Vertragsarzt nach der Praxisübernahme tätig werden, der über die Arztstelle verfügt, um sodann zu einem späteren Zeitpunkt, nach einer Phase des gegenseitigen Kennenlernens, Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft bzw. Gemeinschaftspraxis mit dem zuvor anstellenden Arzt zu werden. Auch kann eine Arztstelle, für die ein angestellter Arzt nicht bzw. nicht mehr zur Verfügung steht, im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens bei der Praxisübergabe an einen Dritten übertragen werden.

2. Zweigpraxis und Arztpraxis Filialbildung

Bereits vor Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes war von der Rechtsprechung im Hinblick auf die Gründung einer Zweigpraxis oder Praxisfiliale als prägendes Merkmal herausgestellt worden, dass das dortige Angebot an technischen und persönlichen Leistungen in ähnlicher Weise ausgestaltet sein musste wie am Praxissitz des Arztes, der die Zweigpraxis beantragt.

Zudem war bisher bei einer Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz eine Zweigpraxis nicht zu genehmigen. Klargestellt wurde nunmehr, dass vertragsarztrechtlich ein ähnliches Leistungsangebot am Ort der Zweigpraxis wie am Vertragsarztsitz im Grundsatz nicht erforderlich ist. Zudem sind geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes, die durch die Neugründung der Zweigpraxis oder Praxisfiliale evtl. entstehen, unbeachtlich, wenn dieser Aspekt gleichzeitig durch die Verbesserung der medizinischen Versorgung am weiteren Ort aufgewogen wird.

Letztlich wird auch klargestellt, dass bei der Entscheidung über die Genehmigung des Praxisverkaufs z. B. nicht schematisch auf die Entfernung zwischen dem Vertragsarztsitz und der Praxisübernahme oder auf die erforderliche Fahrtzeit abzustellen ist. Die Beantragung von Zweigpraxen war in der Vergangenheit von erheblichen rechtlichen Unsicherheiten gekennzeichnet, häufig wurden Zweigpraxen abgelehnt. Es bleibt zu hoffen, dass nunmehr durch die gesetzliche Neuregelung weitergehende Klarheit Einzug erhält.

3. Zeitrahmen für Nebentätigkeiten

Im Hinblick auf Nebenbeschäftigungen bestand bislang eine zeitliche Grenze für Vertragsärzte. Diese wurde von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einer anderen Thematik abgeleitet und ging dahin, dass neben einem vollen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag weitere Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von bis zu 13 Wochenstunden zulässig waren, neben einem halben Versorgungsauftrag bis zu 26 Wochenstunden.

Durch die gesetzliche Neufassung wird nunmehr klargestellt, dass es für die Zulässigkeit von weiteren Tätigkeiten neben einer vertragsärztlichen Tätigkeit nach der Praxisübernahme letztlich maßgeblich, völlig unabhängig von zeitlichen Grenzen, nur darauf ankommt, dass der Vertragsarzt trotz der Zeiten, die er auf die Nebentätigkeit verwendet, dazu in der Lage ist, den Patienten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen.

Sprechstunden sollen nach dem Praxiskauf zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzgeboten werden. Die Neuregelung bietet reichlich Interpretationsspielraum im Einzelfall und wird evtl. dazu führen, dass bislang unbedenkliche Nebentätigkeiten nicht mehr akzeptiert werden. Diesbezügliche Jobsharing Angebote oder Kollegen zur Arztpraxisneugründung finden Sie auf unserer Praxisbörse.

4. Residenzpflicht

Bislang hatte ein Vertragsarzt seine Wohnung nach der Praxisübernahme so zu wählen, dass er für die ärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht (Residenzpflicht). Er musste in sprechstundenfreien Zeiten seinen Vertragsarztsitz in angemessener Zeit erreichen können.

Bereits nach bisherigem Recht galt die Residenzpflicht für Vertragsärzte nach dem Praxis kaufen dann nicht, wenn sich der Vertragsarztsitz in einem unterversorgten Gebiet befand. Nunmehr wird die Aufhebung der Residenzpflicht insgesamt gesetzlich statuiert. Dies befreit den Vertragsarzt jedoch nicht von seiner Verpflichtung zur Teilnahme am organisierten Notdienst.

5. Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf

Klargestellt wird, dass die Beschäftigung eines Vertreters oder eines Assistenten nach dem Arztpraxis kaufen auch dann erfolgen darf, wenn Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten dies rechtfertigen, wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss. Darüber hinaus darf die Beschäftigung auch dann erfolgen, wenn die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung bis zu einer Dauer von sechs Monaten ausgeführt werden muss. Auch die obligatorische Notfallversorgung ist ein Qualitätsmerkmal der ärztlichen Work-Life Balance.

PD Dr. med. C. Ottomann
08.03.2015

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