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Praxiskauf auf dem Land oder in Großstädten?

Entscheidung abhängig von regionalen Unterschieden

Die Entscheidung zur Niederlassung als Arzt:Ärztin hängt stark von regionalen Gegebenheiten ab. In Deutschland bestehen deutliche Unterschiede in Arztdichte, Patientenstruktur und Förderbedingungen zwischen städtischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen. Diese Unterschiede beeinflussen Wirtschaftlichkeit, Arbeitsbedingungen und langfristige Perspektiven einer Praxisgründung erheblich. Eine fundierte Abwägung erfordert statistische Basisdaten und Kenntnisse zu Förderprogrammen und Versorgungsmodellen.

1. Statistische Grundlagen der Arztdichte und Patientenstruktur

Statistische Grundlagen der Arztdichte und Patientenstruktur
Arztdichte: Laut Bundesgesundheitsministerium liegt die Versorgungsrelation in Hamburg bei etwa einer Ärztin/einem Arzt pro 127 Einwohner, in Brandenburg dagegen bei rund 246 Einwohnern pro Ärzt:in. Ballungsräume wie Hamburg, Berlin, Bremen und das Saarland weisen demnach eine hohe Arztdichte auf, während ländlich geprägte Bundesländer wie Niedersachsen (ca. 231 Einwohner/Arzt) oder Sachsen-Anhalt (ca. 216 Einwohner/Arzt) deutlich geringere Dichten aufweisen.
Patientendemografie: In ländlichen Gebieten ist der Anteil älterer und multimorbider Patienten tendenziell höher, was zu größerem Heilmittelbedarf und häufigeren Hausbesuchen führt. Jüngere Bevölkerungsgruppen ziehen vermehrt in große Zentren, wodurch das Durchschnittsalter auf dem Land weiter steigt.

Praxisgründungszahlen: Analysen der apoBank zeigen, dass seit 2010 der Anteil ärztlicher Existenzgründungen auf dem Land von ca. 2% auf 4–5% aller Neugründungen gestiegen ist und sich dort in etwa dem Bevölkerungsanteil (ca. 10%) annähert. Gleichzeitig sind hausärztliche Neugründungen auf dem Land anteilig stabil bei etwa 10% der Gesamtgründungen, was auf gezielte Förderprogramme zurückzuführen ist.

2. Förderprogramme und Sicherstellungsinstrumente

Landarztprogramme und Landesinitiativen: Bund und Länder bieten verschiedene Programme zur Stärkung der ländlichen Versorgung an. Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz ermöglicht Vergütungszuschläge und Ausnahmen von mengenbegrenzenden Maßnahmen für Ärzt:innen in unterversorgten Gebieten. Bundesländer und Kommunen gewähren häufig Zuschüsse für Praxisräume, Infrastruktur oder Startkapital, etwa 25.000?€ je Hausarztsitz in manchen Regionen.
Praxiskauf Förderprogramme und Sicherstellungsinstrumente
KVen-Instrumente: Kassenärztliche Vereinigungen steuern Niederlassungen mit bedarfsplanungsrechtlichen Regelungen und schaffen Anreize für Zweigpraxen in ländlichen Gebieten, sofern die Versorgung am Hauptsitz nicht gefährdet wird.

Wirkung: Die apoBank-Auswertung zeigt, dass die Programme wirken, aber noch nicht flächendeckend wirken: Trotz Verdopplung der Gründungsanteile bleibt der absolute Bedarf in strukturschwachen Regionen groß.


3. Vorteile einer Praxisgründung auf dem Land

  • Geringere Start- und Betriebskosten
    Praxisimmobilien und Mieten sind in ländlichen Regionen meist deutlich günstiger als in Städten. Geringere Fixkosten erhöhen die Gewinnspanne bei vergleichbaren Vergütungssätzen (EBM/GOÄ bundesweit einheitlich).

  • Infrastrukturzuschüsse und Beteiligung der Kommune (Bereitstellung von Praxisräumen oder Modernisierungskosten) reduzieren die Investitionshürde.

  • Geringerer Wettbewerbsdruck
    Weniger Praxen in der Nähe führen zu stabileren Patientenstämmen und weniger „Hopping“-Effekten. Die Nachfrage nach Basisleistungen ist meistens konstant, da wenige Alternativen existieren.

  • Engere Arzt-Patient-Beziehungen
    Oft über Generationen hinweg betreute Patient:innen schaffen Vertrauen und Kontinuität. Das Gemeinschaftsgefühl stützt die Loyalität und führt zu hoher Patientenzufriedenheit.

  • Bessere Work-Life-Balance und Lebensqualität
    Ruhigeres Arbeitstempo, weniger Verkehr und Nähe zur Natur ermöglichen flexiblere Arbeitszeiten. Teilzeit- oder Anstellungsverhältnisse können ländlich oft besser gestaltet werden, was junge Ärzt:innen anspricht, die geregelte Arbeitszeiten und Familienvereinbarkeit wünschen.

  • Wohnraummöglichkeiten sind günstiger und familienfreundlicher.

  • Gesellschaftliche Relevanz und Einfluss
    Mit der Praxis kann ein deutlicher Einfluss auf die Gesundheitsversorgung der Region erzielt werden. Community-Projekte oder multiprofessionelle Versorgungsmodelle (Primärversorgungszentren, Ärztebusse) lassen sich auf dem Land leichter initiieren und demonstrieren unmittelbare Wirkung.

  • Förderliche Rahmenbedingungen
    Zuschüsse und veränderte Vergütungsmodelle erhöhen die ökonomische Attraktivität. Landarztprogramme senken Kosten und bieten Planungssicherheit für den Einstieg.


4. Nachteile und Herausforderungen einer Praxisgründung auf dem Land

Nachteile und Herausforderungen einer Praxisgründung auf dem Land
Geringere Patientenzahl und demographischer Wandel

Trotz stabiler Nachfrage kann die absolute Patientenzahl begrenzt sein. Langfristig führt die Abwanderung junger Menschen zu schrumpfender Klientel und potenziell sinkenden Fallzahlen. Die alternde Bevölkerung bedingt zwar häufigere Arztkontakte, aber das Gesamtsubstrat schrumpft
  • Arbeitsbelastung und Erreichbarkeit
    Hausbesuche entfallen häufig und sind logistisch aufwendig; lange Anfahrtswege belasten Zeit- und Personaleinsatz. In dünnbesiedelten Regionen sind oft mehrere Orte zu versorgen, ohne Wirtschaftlichkeit von Hausbesuchen.

  • Infrastruktur und Lebensumfeld
    Weniger Freizeit- und Kulturangebote, eingeschränkte Bildungseinrichtungen oder berufliche Perspektiven für Partner:innen können die Attraktivität mindern. Erreichbarkeit von Schulen, Kitas und Freizeit in ländlichen Regionen ist nicht immer optimal.

  • Unsicherheit durch demografische Entwicklung
    Sinkende Bevölkerung und mögliche Schließung von Einrichtungen (z.?B. Apotheken, Krankenhäuser) erhöhen das Risiko, dass Versorgungsketten zerreißen und Patienten wegfallen.

  • Langfristige Wirtschaftlichkeit
    Während kurzfristig Förderungen und fehlender Wettbewerb attraktiv sind, kann mittelfristig der Patientenzulauf sinken und Nebeneinnahmen (IGeL) schwieriger werden. Multimorbide, ältere Patient:innen stellen eine Herausforderung hinsichtlich komplexer Betreuung und wirtschaftlicher Abrechnung dar.


5. Vorteile einer Praxisgründung in der Stadt

Hohe Patientendichte

Zahlreiche potenzielle Patient:innen ermöglichen schnelleren und ggf. höheren Umsatz bei entsprechender Spezialisierung. Stetiger Zuzug junger und berufstätiger Gruppen kann neue Versorgungsbedarfe schaffen (Prävention, spezialisierte Leistungen)
Vorteile einer Praxisgründung in der Stadt
  • Infrastruktur und Netzwerk
    Gute Erreichbarkeit, öffentliche Verkehrsmittel, Fachärzte-Kooperationen, Krankenhäuser und Weiterbildungsangebote vor Ort fördern fachliche Vernetzung und erleichtern Konsiliarfälle. Kultur- und Freizeitangebote steigern Lebensqualität und sprechen jüngere Ärzte an.

  • Spezialisierung und Zusatzleistungen
    Höhere Nachfrage nach spezialisierten Leistungen, Vorsorgeuntersuchungen und IGeL erlaubt differenziertere Praxisprofile und potenziell höhere Erlöse.

  • Personalgewinnung
    Größeres Angebot an Fachkräften (MFA, Praxismanager:innen) und evtl. bessere Rekrutierungschancen.

  • Innovation und Fortbildung
    Leichterer Zugang zu Kongressen, Networking-Veranstaltungen und digitalen Gesundheitsprojekten. Kooperationen mit Hochschulen/Start-ups sind urban oft einfacher umzusetzen.


6. Nachteile und Herausforderungen einer Praxisgründung in der Stadt

Nachteile und Herausforderungen einer Praxisgründung in der Stadt
Hohe Fixkosten
Teure Mieten oder Kaufpreise für Praxisflächen, höhere Personalkosten und Betriebsausgaben können die Gewinnspanne reduzieren. Eine sorgfältige Kostenplanung ist unerlässlich.

Intensiver Wettbewerb
Dichte der Praxen führt zu Patient:innen-Hopping, Druck auf Terminvergaben und stärkere Vermarktung erforderlich. Spezialisierungen können die Abgrenzung erleichtern, erhöhen aber die Komplexität.
  • Bezahlbarer Wohnraum
    Hohe Lebenshaltungskosten und schwierige Wohnungssuche belasten die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, insbesondere für angestellte Ärzt:innen und junge Familien.


  • Hohe Arbeitsbelastung und Stress
    Dichter Terminkalender, hohe administrative Belastung und oft weniger persönliche Arzt-Patient-Beziehung führen zu Stress und Burnout-Risiken.


  • ÜberversorgungstendenzeN
    In einigen Ballungsgebieten kann es zu Überversorgung bestimmter Fachrichtungen kommen, was Zulassungen und Wirtschaftlichkeit erschwert.

7. Vergleichende Bewertung und Empfehlungen

Wirtschaftlichkeit:
Kurzfristig ist Landpraxis dank niedriger Kosten und Förderungen oft wirtschaftlich attraktiv. Langfristig muss aber der demografische Wandel beachtet werden. Stadtpraxen bieten höhere Umsätze, aber höhere Risiken durch Kosten und Wettbewerb.

Arbeits- und Lebensqualität:
Ländlich punktet mit Ruhe, Work-Life-Balance und enger Arzt-Patient-Beziehung; urban mit breitem kulturellen Angebot, Netzwerk und Spezialisierungsmöglichkeiten.

Versorgungsmodelle:
Auf dem Land empfiehlt sich frühzeitige Planung multiprofessioneller Konzepte (z.B. MVZ, Primärversorgungszentren, Telemedizin) und Kooperation mit Kommunen und KVen, um Versorgungslücken zu schließen und Wirtschaftlichkeit zu sichern. In Städten können Kooperationen mit Kliniken und spezialisierten Praxen sowie digitale Angebote helfen, Wettbewerb zu bewältigen.

Förderung gezielt nutzen: Landarztprogramme, Zuschüsse und verringerte Regulierungen für ländliche Niederlassungen sollten aktiv geprüft werden. Stadtgründer müssen Kostenmodelle (Miete, Personal) genau kalkulieren und Marktnischen identifizieren.

Langfristige Perspektive: Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und Arztdichte sollten bei der Standortwahl zentral sein. Schrumpfende Regionen bergen Unsicherheiten, während wachsende Ballungsräume Infrastrukturbelastungen und Wohnraumprobleme mit sich bringen.

Persönliche Prioritäten: Familienplanung, Freizeitinteressen, regionale Bindungen und Karriereziel (Allgemeinmedizin vs. Spezialisierung) beeinflussen die Standortentscheidung maßgeblich.


8. Fazit: Praxiskauf in der Stadt oder auf dem Land?
Fazit Arztpraxiserwerb Stadt oder Land
Die Praxisgründung auf dem Land bietet niedrige Einstiegskosten, Förderanreize, stabilere Patientenbindung und bessere Work-Life-Balance, steht jedoch vor Herausforderungen durch geringe Patientenzahlen, demografischen Wandel und infrastrukturelle Einschränkungen. Stadtpraxen ermöglichen hohe Patientendichte, Spezialisierung und Netzwerkvorteile, erfordern aber höhere Investitionen, intensiveren Wettbewerb und sind durch Wohnraum- und Kostendruck gekennzeichnet. 
Eine fundierte Entscheidung verlangt eine genaue Analyse regionaler Statistik (Arztdichte, Bevölkerungsentwicklung), Kenntnis vorhandener Förder- und Kooperationsmöglichkeiten sowie Abwägung persönlicher Lebensziele. Multiprofessionelle Versorgungsmodelle und Telemedizin können insbesondere auf dem Land entscheidend zur wirtschaftlichen und qualitativen Versorgungssicherung beitragen.

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Dr. med. Petra Schwaldt
19.09.2024

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