Das Versorgungsstrukturgesetz im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung soll unterschiedlichen Zielsetzungen Rechnung tragen, die im Hinblick auf die für niedergelassene Vertragsärzte relevanten Regelungen grundsätzlich wie folgt systematisiert werden können:
Kernelement des Versorgungsstrukturgesetzes ist die Absicherung einer langfristigen, flächendeckenden Versorgung der Patienten im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Diesem Bereich sind daher gleich eine ganze Reihe von Regelungen zuzuordnen:
1. Bedarfsplanung
Die bisher gültigen Regelungen der Praxisabgabe zur Bedarfsplanung erfahren eine Flexibilisierung, damit auch zukünftig eine flächendeckende Versorgung sichergestellt werden kann. Bisherige Planungsbereichsgrenzen für den Praxiskauf, die den Stadt- und Landkreisen entsprechen, können ab 2015 auch andersartig und zielgenauer ausgestaltet werden, um insbesondere regionale Besonderheiten für eine bedarfsgerechte Versorgung zu berücksichtigen.
Diese können sich vor allem aufgrund der regionalen demographischen Entwicklung und der Morbiditätsstruktur der Versicherten ergeben. Praktische Relevanz beim Praxis verkaufen erlangt diese Regelung für bereits niedergelassene Vertragsärzte zukünftig vor allem dadurch entfalten, dass bislang bekannte Planungsbereichsgrenzen aufgehoben bzw. angepasst werden. Damit einher gehen evtl. Änderungen der Umfeldbedingungen einer Arztpraxis mit der Folge, dass eine Neuorientierung vor der Praxisübergabe, gerade auch im Wettbewerb vor Ort, erforderlich wird.
2. Nachbesetzungsverfahren und Entschädigung
Zum 01.01.2013 trat eine grundlegende Änderung des Nachbesetzungsverfahrens für vertragsärztliche Praxen in Kraft, die zum Abbau von regionalen Überversorgungen beitragen soll. Sollten in einem Planungsbereich hinsichtlich der Fachrichtung, der der die Praxis bislang betreibende Vertragsarzt angehört, Zulassungsbeschränkungen angeordnet sein, so entscheidet der zuständige Zulassungsausschuss bei der Praxisabgabe zunächst darüber, ob ein Nachbesetzungsverfahren im Falle einer entsprechenden Antragstellung überhaupt durchgeführt wird.
Der Zulassungsausschuss kann den auf den Praxisverkauf ausgerichteten Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Lediglich hinsichtlich einzelner ausdrücklich im Gesetz bezeichneter Nachfolger des bisherigen Praxisinhabers, die entweder in enger familiärer Verbindung zu diesem stehen oder als dessen angestellter Arzt tätig wurden oder aber die Praxis mit ihm gemeinsam betrieben haben, bestehen Ausnahmen dahingehend, dass es auf die Versorgungssituation nicht primär ankommt und ein Ausschreibungsverfahren zu erfolgen hat.
Wird der Antrag der Praxisübergabe vom Zulassungsausschuss jedoch aus Versorgungsgründen abgelehnt, wird kein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt und die Kassenärztliche Vereinigung hat dem Vertragsarzt oder seinen Erben eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu bezahlen. Klagen gegen die ablehnende Entscheidung des Praxisverkaufs, ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, haben keine aufschiebende Wirkung, der ablehnenden Entscheidung ist zunächst Folge zu leisten
3. Zusätzliche neue Kriterien bei der Praxisübergabe
Im Rahmen der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes hat der Zulassungsausschuss eine Entscheidung orientiert an unterschiedlichen Kriterien auszuführen, die nunmehr, anknüpfend an die Zielsetzung der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung, um zwei weitere Kriterien bei der Praxisabgabe ergänzt wurden.
In die Entscheidung des Zulassungsausschusses einzubeziehen ist u.a. auch, ob der Bewerber eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet ausgeführt hat, in dem eine bestehende ärztliche Unterversorgung festgestellt wurde, ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung für den Praxiskuaf definiert worden sind, zu erfüllen.
Darüber hinaus werden hinsichtlich des Kriteriums der Dauer der ärztlichen Tätigkeit zukünftig Zeiten angerechnet, in denen ärztliche Tätigkeiten wegen Kindererziehung oder der Pflege pflegebedürftiger Angehöriger in häuslicher Umgebung unterbrochen werden mussten.
4. Verlegung des Vertragsarztsitzes
Beantragt ein Vertragsarzt die Verlegung seines Vertragsarztsitzes, so hat der zuständige Zulassungsausschuss zukünftig im Rahmen der durchzuführenden Überprüfung festzustellen, ob Versorgungsgesichtspunkte einer Verlegung nicht entgegenstehen.
Die Verlegung darf daher insbesondere nicht dazu führen, dass sich die Versorgungssituation durch die Praxisabgabe am bisherigen Praxisstandort verschlechtert. Konnten Verlegungen von Vertragsarztsitzen in der Vergangenheit häufig problemlos erreicht werden, können zukünftig weitergehende Prüfungen erfolgen und die Hürden für eine Verlegung werden auf diese Art und Weise erhöht. Aus diesem Grunde sollten geplante Verlegungen frühzeitig und sorgfältig mit Hilfe der Experten unserer Praxisbörse vorbereitet werden.
5. Befristung von Zulassungen
In einem Planungsbereich ohne Zulassungsbeschränkungen mit einem allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad ab 100 Prozent ist zukünftig durch den zuständigen Zulassungsausschuss auch die Erteilung einer Zulassung unter einer Befristung möglich, um perspektivisch, so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum Versorgungsstrukturgesetz, die Entstehung und Festschreibung von Überversorgung zu reduzieren. Mit dem Ende der Befristung endet die Zulassung, ein Nachbesetzungsverfahren erfolgt nicht.
6. Sonderbedarfszulassung
Der Sonderbedarfszulassung kommt zukünftig als Instrument zur „Feinsteuerung“ der vertragsärztlichen Versorgungssituation eine gewichtige Aufgabe zu. In Fällen, in denen in einer Region trotz bestehender Überversorgung eine Sicherstellung der Versorgung nicht gewährleistet werden kann, können Sonderbedarfszulassungen erteilt werden. Diese sollen dazu beitragen, einen lokalen Bedarf einerseits, oder aber einen qualifikationsbezogenen Bedarf andererseits zu decken.
7. Ermächtigungen
Der jeweils regional zuständige Zulassungsausschuss hat zukünftig Krankenhausärzte, Ärzte aus Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und solche stationärer Pflegeeinrichtungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten in einer bestimmten Region ohne die ermächtigten Ärzte nicht sichergestellt wird.
Der jeweilige Träger der Einrichtung, in der der zu ermächtigende Arzt tätig ist, muss dem zustimmen und der betreffende Arzt muss zudem über eine abgeschlossene Weiterbildung verfügen. Durch die Erweiterung der Möglichkeit für Ärzte, Ermächtigungen zu erreichen, wird sich der Wettbewerb in einigen Regionen vor Ort ggfs. noch weiter verschärfen.
Bereits in den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber stationären Einrichtungen vielfältige Möglichkeiten offeriert, an der ambulanten Versorgung teilzunehmen; dieser Weg wird nunmehr zum Zwecke der Sicherstellung der Versorgung weiter beschritten.
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