Es wurde die Frage erörtert, welchen Rechtscharakter die gesetzliche Frist zur Zuweisung der Regelleistungsvolumina nach der Praxisübergabe hat. In den KV Bezirken wird fast einheitlich die Auffassung vertreten, es handele sich hierbei um eine sogenannte Ordnungsfrist, an deren Versäumnis für die KV keinerlei Rechtsfolgen geknüpft seien. Damit gelte auch nach dem Praxiskauf das jeweils aktuelle Regelleistungsvolumen.
Dem hat das Sozialgericht jetzt eine Absage erteilt. Bei einer verspäteten Zuweisung das Regelleistungsvolumen nach dem Praxis kaufen darf ein gegebenenefalls zu hohes fortgeltendes Regelleistungsvolumen nicht mehr nachträglich korrigiert werden.
In dem hier vom Sozialgericht entschiedenen Fall hatte dies zur Folge, dass der Arztpraxis für das zurückliegende Quartal das wesentlich höhere Regelleistungsvolumen zustand.
Für eine Arztpraxis kann das im Rahmen des Praxisverkaufs relevant sein, wenn ein Regelleistungsvolumen im Vorquartal deutlich höher lag als das Regelleistungsvolumen im Abrechnungsquartal. Ob das Sozialgericht Marburg seine Rechtsauffassung auch dann bestätigen würde, wenn die Unterschiede in der Höhe der Regelleistungsvolumina auf einer veränderten Praxiszusammensetzung beruhen, ist zwar fraglich.
Auch in unveränderten Praxiskonstellationen, z.B. nach einer Praxis Neugründung kann aufgrund schwankender Fallwerte die Situation entstehen, dass sich die Regelleistungsvolumina in der Höhe unterscheiden. Der Ausschluss der nachträglichen Korrekturmöglichkeit für die KV wird insbesondere in den KV Bezirken relevant, in denen seitens der KV dazu übergegangen wurde, regelmäßig den Honorarbescheiden korrigierte Regelleistungsvolumina zugrunde zu legen.
Erforderliche Wachstumsmöglichkeit für Praxen in der Aufbauphase
Das Sozialgericht stützte seine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Regelleistungsvolumina neben der Verspätung zusätzlich auf die im Honorarverteilungsvertrag Hessen fehlende bzw. unzureichende Wachstumsmöglichkeit für Praxen in der Aufbauphase nach dem Praxiserwerb.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss es einer Arztpraxis ermöglicht werden, während einer Aufbauphase nach der Praxisübernahme den eigenen Umsatz auf den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu steigern. Der Zeitraum der Aufbauphase kann dabei auf einen Zeitraum zwischen drei und fünf Jahren bemessen werden.
Innerhalb dieser Zeit muss der Arztpraxis die Umsatzsteigerung aber sofort ermöglicht werden. Fallzahlbegrenzungen sind während dieser Zeit nach Auffassung des Sozialgerichts jedenfalls bis zum Durchschnitt der Fachgruppe vollständig zu unterlassen. Es ist einer Arztpraxis nach Auffassung des Bundessozialgerichts in der Praxisaufbauphase insbesondere nicht zuzumuten, dass sich der Umsatz der Praxis durch einen Fallzahlzuwachs erst im Folgejahr realisiert.
Im Gegensatz zu diesen Anforderungen an die Wachstumsmöglichkeit für Arztpraxen in der Aufbauphase reicht es für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen nach dieser Zeit aus, wenn sie ihren Umsatz in angemessener Zeit steigern können, wobei als angemessen jedenfalls ein Zeitraum von fünf Jahren angesehen wird.
Fazit
Die Aussagen des Sozialgerichts sind bislang lediglich im einstweiligen Rechtschutzverfahren getroffen worden, so dass der Weg zum obersten Gericht bislang verwehrt war. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundessozialgericht diese Aussagen in folgenden Hauptsacheverfahren in dieser Klarheit weiterverfolgen wird.
Auch ist zu beachten, dass die Entscheidung lediglich in Bezug auf den hessischen Honorarverteilungsvertrag getroffen wurde. Die Honorarverteilungsverträge in den 17 KV Bereichen unterscheiden sich zum Teil wesentlich, so dass jeweils im Einzelfall geprüft werden muss, ob die eigenen Regelungen den Anforderungen des Bundesozialgerichts an die Wachstumsmöglichkeit nach Praxisübernahmen genügen. Mehr zur Aufbauphase der Arztpraxis in unserem Praxisbörsen Online Magagzinteil.