Zurück zum Magazin


Gündung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft Ü-BAG


Gemeinsame Berufsausübung als Arzt in der Niederlassung 

In Deutschland werden immer mehr überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften Ü-BAG gegründet. Urteile der Sozialgerichte bestätigen die Zulässigkeit dieser inovativen ärztlichen Kooperationsform. Die jeweilige Motivation der eine Ü-BAG gründenden Ärzte ist dabei sehr unterschiedlich. Lesen Sie mehr in unserem Arztbörsen Artikel zur Ü-BAG.


Liberalisierung des ärztlichen Berufsrechts

Mit der Änderung der Berufsordnung wurde die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft Ü-BAG allgemein zulässig. Zuvor konnten sich nur solche Ärzte nach dem Praxiskauf ortsübergreifend zu einer Gemeinschaftspraxis zusammenschließen, die ohne unmittelbaren Patientenkontakt tätig wurden. Vor allem Pathologen und Laborärzte hatten davon gebrauch gemacht. Das Bundessozialgericht entschied, dass ein solcher Zusammenschluss auch für die vertragsärztliche, d.h. nicht nur die privatärztliche Tätigkeit zulässig ist, wenn die Praxisstandorte innerhalb des Gebietes einer Kassenärztlichen Vereinigung KV liegen.
Gründung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft
Nach der Liberalisierung des Berufsrechts wurde vermehrt der Zulassungsausschuss der regionalen KVen im Rahmen der Praxisübergabe vor die Frage gestellt, ob und in welchem Umfang die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft Ü-BAGs zwischen Ärzt;innen, die unmittelbar patientenbezogen arbeiten, genehmigt werden.
Eine einheitliche Verwaltungspraxis hinsichtlich der Zulässigkeit überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) nach einer Praxisabgabe besteht derzeit nicht. Allerdings akzeptieren viele Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mittlerweile die Fortführung einer überörtlichen BAG innerhalb eines Planungsbereichs, d.h. innerhalb des für die Bedarfsplanung maßgeblichen Stadt- oder Kreisgebiets, sofern die ärztliche Tätigkeit weiterhin an den jeweiligen Vertragsarztsitzen erfolgt.

Die planungsbereichsübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft ist rechtlich grundsätzlich zulässig, wenn alle beteiligten Ärzte ausschließlich an ihrem jeweils genehmigten Vertragsarztsitz tätig werden. Dies wurde von der Rechtsprechung – insbesondere durch das Bundessozialgericht – bestätigt (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2018 – B 6 KA 37/17 R). In der Praxis stößt die Gründung solcher Gemeinschaftspraxen jedoch weiterhin auf Zurückhaltung bei einigen KVen und Zulassungsausschüssen und bedarf regelmäßig eingehender Begründung und Argumentation.
Die Gründung KV-übergreifender Berufsausübungsgemeinschaften, also über die Grenzen mehrerer Kassenärztlicher Vereinigungen hinweg, wird derzeit von der Mehrheit der KVen und Zulassungsgremien noch abgelehnt. Insbesondere Modelle, bei denen Praxissitze aufgekauft und anschließend über mehrere KV-Bezirke hinweg in einer BAG zusammengeführt werden, stoßen auf rechtliche und verwaltungstechnische Bedenken. Hier besteht aktuell noch kein einheitliches Vorgehen, und der rechtliche sowie politische Diskurs ist weiterhin im Fluss.
Übersicht Berufsausübungsgemeinschaften BAG und Vertragsarztsitzverlagerung


Die überörtliche Gemeinschaftspraxis

Die überörtliche Gemeinschaftspraxis liegt dann vor, wenn sich mindestens zwei Ärzte, welche nach dem Praxis kaufen an unterschiedlichen Praxis bzw. Vertragsarztsitzen tätig sind, zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen. Entgegen dem etwas missverständlichen Wortlaut ist eine überörtliche Gemeinschaftspraxis deshalb auch innerhalb einer Stadt möglich, was häufig sogar eine kluge Gestaltung sein kann.

Die Ärzte müssen einen Gesellschaftsvertrag schließen. Aus diesem muss sich ergeben, dass tatsächlich eine gemeinschaftliche Berufsausübung beabsichtigt ist. Scheinzusammenschlüsse sind rechtswidrig, die Anforderungen an die Gemeinsamkeit sind jedoch gegenüber der klassischen Gemeinschaftspraxis gelockert. Die Praxispartner müssen auf Praxisschildern und Briefpapier aufgeführt werden. Dies kann mit dem Zusatz verbunden werden, welcher Arzt an welchem der Standorte tätig ist. Die Gesellschafter müssen eine gemeinsame Dokumentation führen und über die Belange der Gemeinschaftspraxis gemeinsam entscheiden.
Eine Einstimmigkeit ist aber nicht notwendig, auch lassen sich Regelungen gestalten, die ein Vetorecht eines Gesellschafters vorsehen, wenn ausschließlich Belange des Praxisstandortes betroffen sind, an dem er tätig ist. Die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft rechnet einheitlich, unter einer Nummer, gegenüber der KV ab, die Verteilung der Gewinne muss im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Hierbei kann aber berücksichtigt werden, welche Umsätze am jeweiligen Standort erzielt werden und welche Kosten dort entstehen.


Die überörtliche Berufausübungegemeinschaft Ü-BAG

Die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft setzt dagegen nicht voraus, dass jeder Gesellschafter an jedem Praxisstandort tätig wird oder die Patienten eine Behandlung durch jeden Partner an jedem Standort verlangen können. Das Sozialgericht Nürnberg hat zutreffend festgestellt, dass die Fortführung der Tätigkeit an zwei Standorten die gemeinsame Berufsausübung nicht ausschließt. Da in dem entschiedenen Fall der Standort einer Arztpraxis für gehbehinderte Patienten gut erreichbar, der andere jedoch kaum erreichbar war, stellet das Gericht hat sogar eine Verbesserung der Situation insbesondere für ältere und immobile Patienten fest.
KV übergreifende Berufsausübungsgemeinschaft
Die Motivationen variieren stark und sind insbesondere von unterschiedlichen zeitlichen Nutzenerwägungen geprägt. In denjenigen Gebieten, in denen die vertragsärztliche Vergütung einem Individualbudget unterliegt und die eine Arztpraxis mehr Leistungen erbringt als bezahlt werden, kann die Gründung der überörtliche Gemeinschaftspraxis, die ein einheitliches Budget in Höhe der Summe der früheren Einzelbudgets erhält, unmittelbar zu einer Erhöhung des Umsatzes und damit des Gewinns führen.
Vorteile bestehen in der strategischen Ausrichtung. Mittel- bis langfristig können größere Praxiseinheiten wirtschaftlicher betrieben werden können und deshalb ein angemessener Gewinn aus der ärztlichen Tätigkeit eher zu erzielen ist, wenn man sich z.B. medizinische Gerätekosten, Steuerabgaben, Einkauf und Personal teilt.

Darüber hinaus wird die Notwendigkeit gesehen, sich im Wettbewerb zu positionieren, um gegenüber größeren Versorgungszentren oder ambulanter Tätigkeit von Krankenhäusern konkurrenzfähig zu bleiben. Zudem gibt es Ärzt:innen, die enger zusammen arbeiten wollten, weil sich die fachlichen Subspezialisierungen gut ergänzen. 


Unterschiede zw. der überörtlichen Gemeinschaftspraxis und der Ü-BAG

Die Begriffe „überörtliche Gemeinschaftspraxis“ und „überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (Ü-BAG)“ werden im Sprachgebrauch oft synonym verwendet, unterscheiden sich jedoch rechtlich und strukturell in entscheidenden Punkten, insbesondere im Hinblick auf die Zulassungsbedingungen und sozialrechtliche Einordnung im Vertragsarztrecht.

1. Überörtliche Gemeinschaftspraxis (umgangssprachlich)

  • Veralteter oder nicht exakt definierter Begriff.
  • Bezeichnet meist eine Gemeinschaftspraxis mit mehreren Betriebsstätten.
  • Wird nicht eindeutig vom Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt.
  • Dient oft nur als allgemeine Umschreibung für Kooperationsformen mit mehreren Standorten.

2. Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (Ü-BAG)

  • Geregelt im § 33 Ärzte-ZV (Zulassungsverordnung für Vertragsärzte)
  • Klare rechtliche Form der Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten mit mehreren räumlich getrennten Vertragsarztsitzen.
  • Jeder Arzt bleibt an seinem eigenen Vertragsarztsitz tätig.
  • Gemeinsame Abrechnung und Organisation, aber örtliche Eigenständigkeit bleibt gewahrt.


Rechtssprechung und Zulässigkeit der Ü-BAG

Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.12.2018 – B 6 KA 37/17 R
Bestätigt die grundsätzliche Zulässigkeit einer überörtlichen BAG, auch planungsbereichsübergreifend.
Voraussetzung: Jeder Arzt arbeitet nur an seinem eigenen Vertragsarztsitz.
Keine „Verlagerung“ der Versorgung über KV-Planungsgrenzen hinweg zulässig.
Eine Ü-BAG darf nicht dazu führen, dass Versorgungsregionen unter- oder überversorgt werden.

Zulassungsausschüsse / Verwaltungspraxis
Unterschiede zwischen Gemeinschaftspraxis und BAG
Anerkennung einer Ü-BAG ist oft mit Begründungsaufwand verbunden, insbesondere wenn:
Planungsbereiche überschritten werden.
Der Verdacht besteht, dass eine Praxisverlagerung oder Konzentration der Versorgung geplant ist.
Ü-BAGs innerhalb eines Planungsbereichs werden häufiger genehmigt, übergreifend sind sie Genehmigungssache und teils umstritten.


Fazit: Ü-BAG

Die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft BAG ist eine ärztliche Kooperationsform, die insbesondere für Ärzte sinnvoll ist, die ihren bisherigen Praxisstandort beibehalten, dennoch aber die Vorteile der gemeinsamen Berufsausübung nutzen wollen. Will ein Arzt/ärztin sich innerhalb einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis wieder trennen, so kann jeder gehen wie er gekommenen ist.

Die schwierigen Fragen über den Verbleib in den Praxisräumen und das Teilen des Patientenstammes, die viele von einer Gemeinschaftspraxis an einem Standort abhalten, stellen sich bei der überörtlichen Gemeinschaftspraxis nicht. Sie kann deshalb auch ein erster Schritt sein, bei dem man wenig riskiert, sich aber alle Optionen für die kommenden Veränderungen der Versorgungsstruktur und Vergütungsstruktur offen hält.

Arztbörse - Dein Partner für den Arztberuf
Dr. jur. Wolram Sattler
11.05.2025

Arztbörsen Ratgeber & Broschüren

Standortanalyse & Geomarketing

Arztbörsen Services

Inserieren