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Tipps und Tricks zur Praxisübernahme im
gesperrten Planungsbereich

Zulassungserweiterung im vertragsärztlichen Bereich

Die Übernahme einer Arztpraxis und die Erweiterung der eigenen Zulassung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind komplexe Vorhaben. Vertragsärzt:innen sehen sich dabei mit einer Vielzahl von rechtlichen Vorgaben konfrontiert. Diese reichen von berufsrechtlichen Regeln der Ärztekammern über sozialrechtliche Bestimmungen des SGB V bis hin zu verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Zudem spielen vertragsarztrechtliche Regelungen zu Praxisverkauf, Anstellung und Budgetierung sowie aktuelle Gerichtsentscheidungen (etwa zur Vermeidung von Scheinanstellungen) eine wichtige Rolle. Dieser Beitrag liefert eine strukturierte Übersicht über die geltende Rechtslage und gibt Tipps und Tricks zur Praxisübernahme im gesperrten Planungsbereich.


Berufsrechtliche Vorgaben bei der Praxisübernahme

Tipps und Tricks zur Praxisübernahme im gesperrten Planungsbereich
Aus berufsrechtlicher Sicht gelten insbesondere die Berufsordnungen der Ärztekammern. Bei einer Praxisübergabe stehen der Schutz der Patienten und die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit im Vordergrund. So schreibt die (Muster-)Berufsordnung vor, dass patientenbezogene Unterlagen mit größter Sorgfalt behandelt werden müssen. Wenn bei Praxisaufgabe oder -übernahme Patientendokumente an eine(n) Nachfolger(in) übergeben werden, dürfen diese nur mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten eingesehen oder weitergegeben werden
Die ärztliche Schweigepflicht und der Datenschutz gelten uneingeschränkt fort – entsprechende Klauseln im Übernahmevertrag stellen sicher, dass beide Seiten diese Pflichten wahren. Zudem verlangen die Ärztekammern eine formale Anzeige der Praxisübernahme. Die/der nachfolgende Ärztin/Arzt muss der zuständigen Kammer den Praxiswechsel melden und Nachweise wie Approbationsurkunde, Facharztanerkennung, Zulassungsbescheid und künftige Sprechzeiten vorlegen.

Auf diese Weise wird der Kammerregistereintrag aktualisiert und die Kontinuität der Versorgung dokumentiert. Berufsrechtlich wichtig ist auch, dass während einer geplanten Übergangsphase eine kollegiale Zusammenarbeit zulässig und erwünscht ist. Beispielsweise kann eine befristete Jobsharing-Phase oder Gemeinschaftspraxis zur Einarbeitung des Nachfolgers genutzt werden, ohne dass dies als unzulässige Form der Kooperation gilt. Die Berufsordnungen definieren allerdings Grenzen unlauteren Wettbewerbs: So wäre es standeswidrig, einen Kollegen ohne angemessene Vergütung zu beschäftigen oder ehemalige Weiterbildungsassistenten unmittelbar in der Nähe ihrer Ausbildungsstätte konkurrierend niederzulassen. Insgesamt sorgen die Kammerregelungen dafür, dass Praxisübernahmen patientengerecht und ethisch einwandfrei ablaufen.


Sozialrechtlicher Rahmen: Zulassung, Bedarfsplanung und Planungsbereiche

Sozialrechtlicher Rahmen: Zulassung, Bedarfsplanung und Planungsbereiche
Die zentrale Rechtsgrundlage für die vertragsärztliche Tätigkeit bildet das Sozialgesetzbuch V (SGB V). Nach § 95 SGB V dürfen nur zugelassene Vertragsärzte (sowie zugelassene MVZ und ermächtigte Krankenhausärzte) an der ambulanten Versorgung der GKV-Versicherten teilnehmen. Jede Zulassung ist gebunden an einen bestimmten Vertragsarztsitz (Ort der Niederlassung) und in der Regel an eine Facharztgruppe. Um eine Zulassung zu erhalten, muss die/der Ärztin/Arzt im Arztregister eingetragen sein und die vorgeschriebene Weiterbildung erfüllt haben. 
Entscheidend ist darüber hinaus die Bedarfsplanung (§§ 99 ff. SGB V). Deutschland ist in Planungsbereiche eingeteilt, in denen für jede Arztgruppe ein Verhältnis von Ärzten zur Bevölkerungszahl als Versorgungsrichtwert festgelegt ist. Wird dieser Versorgungsgrad deutlich überschritten (Überversorgung), kann der Landesausschuss Zulassungsbeschränkungen anordnen. Man spricht dann von einem “gesperrten” Planungsbereich, in dem Zulassungsstopp herrscht. In einem solchen Gebiet kann ein neuer Vertragsarzt nicht ohne Weiteres neu zugelassen werden. Offene Planungsbereiche hingegen liegen vor, wenn die Versorgungsquote unter dem Richtwert liegt – dort sind Neuzulassungen frei möglich, und jeder Arzt, der die Voraussetzungen erfüllt, kann einen Antrag auf Zulassung stellen. Die Einteilung offen/gesperrt erfolgt arztgruppenspezifisch (zum Beispiel getrennt für Hausärzte, Augenärzte etc.) und wird regelmäßig überprüft.


Praxisübernahme in überversorgten (gesperrten) Gebieten

In überversorgten (gesperrten) Regionen kommt der sogenannten Nachbesetzungsregelung (§103 SGB V) zentrale Bedeutung zu: Wird eine Praxis frei (etwa durch Ruhestand des Arztes), entscheidet der Zulassungsausschuss, ob die Stelle überhaupt nachbesetzt werden darf. Ist der Versorgungsgrad über 140%, darf eine frei werdende Praxis nur nachbesetzt werden, wenn dies aus Versorgungsgründen erforderlich ist.

Fehlt es an dieser Versorgungsrelevanz, wird die Zulassung nicht wieder vergeben und der Praxissitz gestrichen – dies dient der schrittweisen Reduzierung von Überversorgung. Allerdings schützt das Gesetz bestimmte Personengruppen: “Privilegierte Nachfolger” wie enge Verwandte, langjährige Praxispartner oder angestellte Ärzte des Abgebers sollen bevorzugt berücksichtigt werden. In solchen Fällen soll der Sitz trotz hoher Arztdichte erhalten bleiben. Wird die Nachbesetzung abgelehnt, steht dem abgebenden Arzt oder seinen Erben eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts der Praxis durch die Kassenärztliche Vereinigung zu - diese Regelung unterstreicht, dass ein Vertragsarztsitz wirtschaftlich einen Wert darstellt, auch wenn es kein klassisches Eigentumsrecht an der Zulassung gibt.


Praxisübernahme in unterversorgten (nicht-gesperrten) Gebieten

Unterversorgte Regionen hingegen können aktiv neue Zulassungen erhalten. §103 Abs. 2SGB V erlaubt es sogar, innerhalb eines gesperrten Planungsbereichs bestimmte ländliche oder strukturschwache Teilgebiete von der Sperre auszunehmen und zusätzliche Arztsitze dort zu schaffen, um die Versorgung zu verbessern. Diese Option – etwa Landarztquoten oder Förderprogramme – ist eine strategische Chance für Ärzt:innen die bereit sind, sich in weniger beliebten Gegenden niederzulassen
Praxisübernahme im unterversorgten Gebiet
Es gibt in vielen KV-Bezirken finanzielle Förderprogramme für Neuniederlassungen auf dem Land, die von Investitionszuschüssen bis zu Umsatzgarantien reichen. Hier zeigen sich wirtschaftliche Chancen: Wer flexibel in der Standortwahl ist, kann unter Umständen leichter eine Zulassung erhalten und von öffentlichen Fördermitteln profitieren.


Verfassungsrechtliche Grundsätze

Die beschriebenen Zulassungsbeschränkungen greifen in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit (Art.12 GG) der Ärztinnen und Ärzte ein. Grundsätzlich gilt: Jede(r) Arzt/Ärztin darf zwar frei den Beruf ausüben und sich auch privatärztlich niederlassen, jedoch ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kein garantiertes Recht, sondern unterliegt der Bedarfsplanung und dem öffentlichen Interesse an einer funktionsfähigen GKV. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich in mehreren Entscheidungen mit diesen Beschränkungen befasst. Bereits 1960 stellte das BVerfG im berühmten “Kassenarzt-Urteil” fest, dass strenge Berufsausübungsregelungen nur gerechtfertigt sind, wenn überragende Gemeinwohlgründe vorliegen. Damals kippte es eine starre Regelung, die Kassenarztsitze nur nach starren Verhältniszahlen einrichtete, als unverhältnismäßig.
Nach der Wieder-Einführung der Bedarfsplanung in den 1990er Jahren hat das BVerfG allerdings die Zulassungsbeschränkungen im Grundsatz gebilligt. In einem Kammerbeschluss 2001 erklärte es die seit 1993 geltenden Regeln zur Begrenzung von Vertragsarztsitzen für vereinbar mit Art. 12GG. Zur Begründung führte das Gericht insbesondere die “Sicherung der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung” an. Mit anderen Worten: Um explosionsartige Kosten und Qualitätsverluste durch unbegrenzte Arztzulassungen zu vermeiden, darf der Gesetzgeber den Zugang zur GKV-Praxis regulieren. Allerdings wird betont, dass solche Eingriffe in die Berufsausübung umso strenger gerechtfertigt sein müssen, je näher sie einer faktischen Berufsverbotssituation kommen.
Tatsächlich hat das BVerfG 2016 hervorgehoben, dass ein vollständiger Ausschluss von der vertragsärztlichen Tätigkeit aufgrund von Zulassungsbeschränkungen de facto einer Beschränkung der freien Berufswahl gleichkommen kann - denn angesichts des hohen Anteils GKV-Versicherter bleibt einem Arzt ohne Kassenzulassung nur ein kleinerer Markt. Derartige Einschränkungen sind nur verfassungskonform, wenn mildere Mittel ausgeschöpft wurden. Die Bedarfsplanung ist verfassungsrechtlich zulässig, solange sie der Daseinsvorsorge  dient und keinen unzumutbaren, willkürlichen Ausschluss einzelner Ärzte bewirkt.
Praxisübernahme - verfassungsrechtliche Grundlagen


Praxisnachfolge in gesperrten Gebieten

Gerade in gesperrten Planungsbereichen erfolgt eine Praxisübernahme nicht automatisch, sondern durch das beschriebene Nachbesetzungsverfahren (§103 Abs. 3a und 4SGB V). Will eine Vertragsärztin ihre Kassenzulassung abgeben und ihre Praxis verkaufen, muss sie beim Zulassungsausschuss die Durchführung dieses Verfahrens beantragen. Stimmt der Ausschuss zu, wird der Vertragsarztsitz von der KV offiziell ausgeschrieben. Interessierte Bewerber (Praxisnachfolger) können sich bewerben. Die Auswahl unter mehreren Bewerbern erfolgt nach bestimmten gesetzlichen Kriterien (§103 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Dazu zählen vor allem die fachliche Eignung und Erfahrung, aber auch soziale und regionale Aspekte. Gesetzlich vorgegeben sind u.a.:
  • Berufliche Eignung (Facharztausbildung, Zusatzqualifikationen, Praxisführungskompetenz)
  • Approbationsalter (oft ein Kriterium, um jüngeren Ärzten den Vorzug zu geben, da diese länger tätig sein können)
  • Dauer der ärztlichen Tätigkeit (Erfahrung in Jahren)
    Tätigkeit in Unterversorgungsgebieten (wer mindestens 5 Jahre in einem von Unterversorgung betroffenen Gebiet tätig war, erhält einen Bonus)
  • Verwandtschaft zum Praxisabgeber (Ehegatten, Lebenspartner oder Kinder des bisherigen Arztes werden berücksichtigt)
  • Status als Mitarbeiter oder Mitinhaber der Praxis (angestellte Ärzte der Praxis oder Berufsausübungsgemeinschafts-Partner werden bevorzugt)
  • Besondere Versorgungsbedürfnisse (z.B. wenn ein Bewerber bereit ist, zusätzliche Leistungen wie Hausbesuche, Pflegeheimbetreuung oder bestimmte Sprechstunden anzubieten, die die KV als bedarfsnotwendig definiert hat)
  • Barrierefreiheit/Behindertenbelange (Praxiszugang für Menschen mit Behinderung) und – bei MVZ-Bewerbern – die Ergänzung des MVZ-Angebots
Diese Kriterien sollen objektive Auswahlentscheidungen ermöglichen. Wichtig: Die wirtschaftlichen Interessen des abgebenden Arztes sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt. Das bedeutet, der Zulassungsausschuss darf nicht allein den höchsten Bieter auswählen – extreme Überpreis-Angebote scheiden aus, um unwürdige “Versteigerungen” von Sitzen zu verhindern. Der sogenannte Verkehrswert wird meist durch ein Gutachten oder Kammer-Richtwerte ermittelt (Praxiswert = materieller Wert plus ideeller Wert/Goodwill).
Praxisnachfolge im gesperrten KV Gebiet
Hat sich der Ausschuss für einen Nachfolger entschieden und erteilt die Zulassung, kann der Praxiskaufvertrag zwischen Alt- und Neuärztin endgültig vollzogen werden. Dieser privatrechtliche Vertrag regelt Kaufpreis, Übergabedatum, Inventar, Patientenkartei, Mitarbeiterübernahme, Wettbewerbsverbote etc. Die Vertragsfreiheit ist hier weitgehend gegeben – abgesehen von berufsrechtlichen Grenzen (z.B. keine unangemessene Erfolgshonorare, kein Kauf von Patienten selbst). Die Praxisübergabe erfolgt dann zum festgelegten Stichtag.
Zu beachten ist: Lehnt der Zulassungsausschuss die Nachbesetzung ab, etwa weil kein Versorgungsbedarf besteht, erhält der Abgeber eine Entschädigung (wie oben erwähnt), muss aber seine Praxis letztlich schließen oder nur noch privat weiterführen. In einem solchen Fall bleiben die Patienten oft unversorgt oder werden auf umliegende Praxen verteilt – ein Szenario, das vor allem in Ballungszentren mit extremer Überversorgung vorkommt, wenn Sitze gezielt abgebaut werden. Allerdings sind Ablehnungen dank der privilegierten Nachfolgeregeln seltener geworden. Die KV kann auf eine Ablehnung auch verzichten, wenn z.B. ein Bewerber aus der Familie oder ein bisheriger Assistent übernehmen will.


Anstellung von Ärzten und Kooperationsmodelle

Seit den Reformen des Vertragsarztrechts (insb. durch das VÄndG 2007) bestehen für Vertragsärzte vielfältige Kooperationsmöglichkeiten. Eine zentrale Option ist die Anstellung von Ärzten in der eigenen Praxis (§95 Abs. 9SGB V). Niedergelassene Vertragsärzte dürfen Ärzte anstellen, sofern diese im Arztregister eingetragen und entsprechend qualifiziert sind. In offenen Planungsbereichen ist die Anstellung unproblematisch mit Genehmigung des Zulassungsausschusses möglich. In gesperrten Bereichen ist eine Anstellung im Wege des Jobsharings möglich. Grundsätzlich benötigt man für jede angestellte Ärztin/Arzt einen freien Arztsitz bzw. eine Kapazität, die nicht bereits durch Zulassungsbeschränkungen belegt ist. Der Zulassungsausschuss prüft jeden Anstellungsantrag und verlangt den Arbeitsvertrag, um sicherzustellen, dass es sich um ein echtes Beschäftigungsverhältnis handelt.

Wie viele Ärzte kann man anstellen? Ein Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag kann in der Regel bis zu drei Vollzeit-Angestellte beschäftigen (bei Labor- und Radiologiepraxen mit vorwiegend technikbasierten Leistungen sogar bis zu vier). Diese Obergrenzen gelten planungsbereichsunabhängig, d.h. auch in offenen Bereichen soll ein einzelner Arzt nicht unbegrenzt viele Angestellte haben, um die persönliche Verantwortung zu wahren. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind hiervon ausgenommen – sie dürfen theoretisch unbegrenzt anstellen (praktisch begrenzt nur durch Bedarfsplanung und Wirtschaftlichkeit).


Fachgleiche vs. fachfremde Anstellung:

Wichtig ist, dass im Normalfall Angestellte derselben Fachrichtung wie der Praxisinhaber sein müssen, zumindest wenn die Anstellung zur Versorgung derselben Patienten dienen soll. Fachfremde Ärzte anzustellen (also z.B. als Hausarzt einen Facharzt für Dermatologie im Team zu beschäftigen) ist nur in offenen Planungsbereichen zulässig.

In gesperrten Gebieten wird fachfremde Anstellung nicht gestattet, da dies faktisch einer Umgehung der Facharztquote gleichkäme. Ausnahme: In einem MVZ können unterschiedliche Fachärzte zusammenarbeiten (MVZ gelten per Definition als fachübergreifend, dazu im nächsten Abschnitt mehr). Ebenso können Vertragsärzte Psychotherapeuten anstellen und umgekehrt, jedoch auch nur, wenn der Planungsbereich offen ist oder besondere Bedarfsnotlagen dies rechtfertigen.


Jobsharing

Eine spezielle Form der Anstellung in gesperrten Regionen ist das Jobsharing (§ 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Hierbei stellt eine Vertragsärztin einen Kollegen derselben Fachrichtung als “Jobsharing-Partner” ein. Vorteil: Dies ist auch in einem gesperrten Planungsbereich zulässig, da kein zusätzlicher Versorgungsbedarf entstehen muss. Allerdings gelten strenge Leistungsbegrenzungen: Das Team aus Praxisinhaber und Jobsharer darf zusammen nicht wesentlich mehr Leistungen abrechnen als die Praxis vorher allein. Die KV überwacht den Leistungsumfang und begrenzt das Budget so, dass kein “Mehr an Arzt” zu einem Mehr an abgerechneten Leistungen führt. Jobsharing wird häufig genutzt, um einen jüngeren Kollegen in einer vollen Praxis mitarbeiten zu lassen – sei es zur Entlastung des älteren Arztes oder als Vorbereitung für eine spätere Praxisübernahme.
Für die Nachwuchskraft bietet es den Vorteil, erste Einblicke in die vertragsärztliche Tätigkeit zu gewinnen und sich einen eigenen Patientenstamm in der Praxis aufzubauen, ohne sofort volles wirtschaftliches Risiko zu tragen. Für den Senior ermöglicht Jobsharing einen allmählichen Ausstieg. Die Praxisübergabe lässt sich so nahtlos gestalten, was sowohl medizinisch (kontinuierliche Betreuung der Patienten) als auch zulassungsrechtlich vorteilhaft sein kann.
Praxisübernahme und Jobsharing

Angestelltentätigkeit als Chance für die Praxisübernahme

Generell werden Anstellungen zunehmend beliebt. Viele junge Ärztinnen und Ärzte scheuen zunächst die komplette Selbstständigkeit mit finanzieller Verantwortung und entscheiden sich für eine Anstellung im niedergelassenen Bereich. Das bietet strategische Chancen: Zum einen kann man als angestellte(r) Arzt/Ärztin in einer Praxis Erfahrungen sammeln und ggf. später in eine Partnerschaft einsteigen oder die Praxis übernehmen. Zum anderen nutzen auch ältere Vertragsärzte die Möglichkeit, sich anstellen zu lassen – etwa um nach Aufgabe der eigenen Zulassung weiter tätig zu sein (im Rentenalter) oder administrative Belastungen zu reduzieren. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung betont, dass Anstellungen in verschiedenen Lebensphasen sinnvoll sein können – als Sprungbrett in die Selbständigkeit oder zur Vorbereitung der Praxisnachfolge. Aus Arztsicht ist die Anstellung also eine flexible Option, die vom “Einstieg auf Probe” bis zum “Ausstieg auf Raten” viele Varianten bietet.


Scheinanstellung und Umgehungsverbot: Rechtsprechung und Risiken

Wo neue Kooperationswege entstehen, gibt es allerdings auch Missbrauchsgefahren. Der Gesetzgeber und die Gerichte haben klar gemacht, dass Scheinanstellungen zur Umgehung von Zulassungsbeschränkungen verboten sind. Eine typische Konstellation ist etwa: Ein Arzt in einem gesperrten Gebiet findet keinen offiziellen Nachfolgesitz, also lässt ein Kollege ihn scheinbar anstellen, tatsächlich praktiziert er aber wie ein eigenständiger Partner. Solche Modelle sollen nicht dazu dienen, die Bedarfsplanung auszuhebeln.
Angestelltentätigkeit als Chance für die Praxisübernahme
Das BSG hat 2016 wichtige Leitplanken aufgestellt: Wenn ein Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichtet, um sich anstellen zu lassen (nach §103 Abs. 4a oder 4bSGB V), muss er die ernsthafte Absicht haben, mindestens drei Jahre als Angestellter tätig zu bleiben. Diese „Drei-Jahres-Regel“ dient dazu, Kurzzeit-Anstellungen als Deckmantel für einen Praxisverkauf auszuschließen. Endet das Anstellungsverhältnis vor Ablauf von drei Jahren ohne plausiblen Grund, kann die KV dem neuen Arbeitgeber (Praxis oder MVZ) die Nachbesetzung der entstandenen Stelle verweigern.
Mit anderen Worten: Ein Sitz, der durch Verzicht und Anstellung übergegangen ist, könnte wieder wegfallen, wenn sich herausstellt, dass der verzichtende Arzt nur schnell “Kasse machen” wollte und dann das Weite sucht. Unvorhersehbare Umstände – etwa schwere Krankheit des Arztes oder ein zwingender Karriereschritt – können zwar einen vorzeitigen Ausstieg rechtfertigen. Aber die Anforderungen an den Nachweis solcher Gründe sind hoch und werden umso strenger, je kürzer die tatsächliche Anstellungsdauer war. In der Praxis bedeutet das: Sowohl der Arbeitgeber (MVZ/Praxis) als auch der verzichtende Arzt tun gut daran, einen Anstellungsvertrag mit verbindlicher Mindestlaufzeit von 3 Jahren zu schließen und diese Phase auch tatsächlich durchzuhalten. Andernfalls drohen rechtliche Nachteile, z.B. der Entzug der Genehmigung zur Nachbesetzung. Auch das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass Umgehungstatbestände sanktioniert werden dürfen.

In einem Fall, in dem ein MVZ und eine Ärztin durch verzahnte Maßnahmen versuchten, Planungsbereichsgrenzen zu umgehen, billigte das BVerfG die Entscheidung der KV, der Ärztin die Zulassung zu entziehen – Täuschungsverhalten und ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis können solche Maßnahmen rechtfertigen. Gleichzeitig wurde eine zu weitgehende Bestimmung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) für unwirksam erklärt, weil sie ohne ausreichende gesetzliche Grundlage automatisch die Zulassung enden ließ. Die Quintessenz: Wer kreativ, aber unredlich versucht, die Vertragsarztrechtsregeln zu umgehen, riskiert empfindliche Sanktionen bis hin zum Zulassungsentzug. Vertragsärzte sind daher gut beraten, alle Kooperationsmodelle wasserdicht und im Einklang mit den Vorgaben zu gestalten. Im Zweifel sollte man frühzeitig die KV einschalten oder rechtlichen Rat einholen, um nicht unbeabsichtigt in eine Scheinanstellung zu geraten.


Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) und fachfremde Anstellungen

MVZ sind mittlerweile ein fester Bestandteil des vertragsärztlichen Systems. Rechtlich sind MVZ Einrichtungen nach § 95 SGB V, in denen fachübergreifend Ärzte tätig sein können. Ein MVZ muss ärztlich geleitet werden, kann aber verschiedene Fachrichtungen unter einem Dach vereinen und sowohl Vertragsärzte als Gesellschafter als auch angestellte Ärzte beschäftigen. Gründung: Ursprünglich durften nur Ärzte MVZ gründen, heute sind die Gründerkreise erweitert – zugelassene Krankenhäuser, gemeinnützige Träger, anerkannte Praxisnetze und sogar Kommunen können MVZ betreiben.
Allerdings hat der Gesetzgeber der Kommerzialisierung Grenzen gesetzt: MVZ dürfen nur in bestimmten Rechtsformen (GmbH, Personengesellschaft, Genossenschaft oder öffentlicher Träger) betrieben werden. Rein arztfremde Kapitalinvestoren sind als MVZ-Träger nicht direkt zugelassen, außer über Umwege wie den Krankenhausanteil. Für zahnärztliche MVZ gelten seit 2019 spezielle Beschränkungen, um Kettenbildungen einzudämmen.
Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) und fachfremde Anstellungen
MVZ im gesperrten Bereich
Ein MVZ benötigt – ebenso wie ein Arzt – für jede Arztstelle eine Zulassung bzw. Anstellungsgenehmigung. In gesperrten Gebieten können MVZ trotzdem wachsen, denn §103 Abs. 4aSGB V ermöglicht es, dass ein Vertragsarzt auf seinen Sitz verzichtet und das MVZ den Vertragsarztsitz übernimmt, um die Tätigkeit mit einem Angestellten fortzuführen. Hierbei tritt das MVZ quasi an die Stelle des Nachfolgers. Der Zulassungsausschuss muss zustimmen, wenn nicht aus Versorgungsgründen etwas dagegen spricht.

Nach aktueller Rechtslage wird MVZ mit Mehrheitsanteilen von Kapitalinvestoren (also MVZ, in denen die Mehrheit der Anteile nicht bei dort tätigen Ärzten liegt) im Nachbesetzungsverfahren nachrangig berücksichtigt. Das heißt, im Auswahlverfahren um einen freien Sitz kann ein investorengetragenes MVZ gegen einen klassischen Einzelbewerber oder ein ärztlich geprägtes MVZ ins Hintertreffen geraten – eine politisch gewollte Benachteiligung, um die “Ärzte vor Ort” zu stärken. MVZ, die vor 2012 schon in Investorenhand waren, genießen einen Bestandschutz und sind von dieser Nachrangregel ausgenommen.

Anstellung im MVZ
MVZ sind beliebte Arbeitgeber, weil sie beliebig viele Fächer kombinieren können. Ein Vorteil aus Arzt-Perspektive: In einem MVZ kann ein Facharzt auch fachfremd angestellt werden, sofern das MVZ diese Fachrichtung mit seinem Versorgungsauftrag abdeckt. Beispiel: Ein MVZ für Orthopädie könnte auch einen Unfallchirurgen oder Rehamediziner anstellen, wenn dies ins Konzept passt – etwas, was in einer Einzelpraxis nicht ginge. Zudem genießen MVZ mehr Flexibilität bei der Nachbesetzung intern: Verlässt ein angestellter Arzt das MVZ, darf die Stelle auch in einem gesperrten Bereich nachbesetzt werden, sofern nicht andere Planungs-Vorgaben entgegenstehen (z.B. Überversorgung ohne Bedarf). MVZ sind damit stabilere Strukturen, da ein interner Personalwechsel leichter möglich ist als bei Einzelpraxen, wo jeder Weggang ein Ausschreibungsverfahren nach sich ziehen kann.

Sonderfall: Zulassungsverzicht zugunsten MVZ-Anstellung
Zulassungsverzicht zugunsten MVZ-Anstellung
Wie bereits erwähnt, kann ein niedergelassener Arzt in einem überversorgten Gebiet auf seine Zulassung verzichten, um ins MVZ zu wechseln. Der Ausschuss genehmigt das in aller Regel. Der Sitz geht an das MVZ über, das den Arzt beschäftigt. Gesetzlich wurde den Ärzten dabei ein Rückkehrrecht eingeräumt: Wer mindestens 5 Jahre im MVZ angestellt war, bekommt auf Antrag eine eigene Zulassung in diesem Bereich – trotz Sperre. Diese Regel (ebenfalls in §103 Abs. 4 SGB V) soll sicherstellen, dass sich Vertragsärzte durch einen MVZ-Wechsel nicht endgültig “ins Abseits” begeben.
Allerdings gilt das nicht, wenn der Wechsel selbst über eine Nachbesetzung erfolgte oder nach 2007 stattfand – hier gab es Einschränkungen, um Missbrauch zu vermeiden. Für MVZ wiederum besteht die Möglichkeit, durch solche Verzichtsanstellungen in gesperrten Regionen zu expandieren – das hat in der Vergangenheit zu der genannten Drei-Jahres-Rechtsprechung geführt (um sicherzustellen, dass es kein schneller Exit ist). 


Budgetierung und Leistungsbegrenzungen

Ein wichtiger Aspekt der vertragsärztlichen Tätigkeit – insbesondere bei Zulassungserweiterungen – ist die Budgetierung. Die GKV-Vergütung erfolgt über die Kassenärztlichen Vereinigungen, die jedem Vertragsarzt ein Honorarvolumen zuteilen. Grundsätzlich erhält jede Vertragsarztpraxis für jeden (Teil-)Versorgungsauftrag ein eigenes Budget (Regelleistungsvolumen), das auf statistischen Fallzahlen und Punktwerten basiert. Interessanterweise gilt dies auch für angestellte Ärzte: Die KV teilt angestellten Ärzten ein eigenes Honorarvolumen zu, das jedoch Teil der Gesamtvergütung der Praxis ist. Praktisch bedeutet das, dass ein Praxisinhaber mit Angestellten nicht einfach sein altes Budget behält und der Angestellte kostenlos “on top” abrechnen darf – stattdessen wird für den Angestellten ein separater Honorartopf kalkuliert. Dies soll verhindern, dass angestellte Ärzte unter dem Budgetdeckel des Chefs arbeiten müssten oder umgekehrt die Praxis unbegrenzt mehr abrechnet.
Praxisübernahme Budgetierung und Leistungsbegrenzungen
Bei Zulassungserweiterungen – etwa wenn ein Arzt zwei halbe Sitze kombiniert oder eine Zweigpraxis eröffnet – passt die KV die Budgets entsprechend an. Einem Arzt kann maximal ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet sein (z.B. zwei halbe in verschiedenen Bezirken). Zweigpraxen  erfordern ebenfalls KV-Genehmigungen und können mit Auflagen verbunden sein, damit sie nicht zur Umgehung von Planungsgrenzen dienen. Oft wird festgelegt, dass in der Zweigpraxis nur ein bestimmter Leistungsumfang oder spezielle Leistungen erbracht werden dürfen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Im Jobsharing wurde bereits erwähnt, dass Leistungszuwachsbegrenzungen gelten. Überschreitet ein Jobsharing-Paar das vorherige Leistungsvolumen der Einzelpraxis, kürzt die KV das Honorar entsprechend. Damit ist dieses Modell zwar gut für die Übergabe, aber es erlaubt keine Umsatzsteigerung durch den zusätzlichen Arzt. Für Ärzte stellt das einerseits eine Bremse dar, andererseits sichert es dem Jobsharing-Partner einen Teil des bestehenden Budgets, was eine Planungsgrundlage schafft.

Generell stehen Neuzulassungen und Praxisübernahmen unter dem Vorzeichen, dass Budgetverteilungen neu justiert werden. Wenn in einem KV-Bezirk plötzlich mehr Ärzte abrechnen, sinkt tendenziell der durchschnittliche Punktwert oder jeder Arzt erhält weniger RLV, da die Gesamtvergütung begrenzt ist. Das heißt, bei der strategischen Entscheidung, eine Praxis zu übernehmen oder eine zusätzliche Niederlassung zu begründen, sollte man die regionale Honorarsituation prüfen. Beispiel: In manchen überversorgten Gebieten ist das Honorar je Leistung bereits gedeckelt; ein neuer Arzt verdient dort eventuell zunächst weniger, bis er ausreichend Patienten hat oder bis Kollegen wegfallen. Umgekehrt kann in unterversorgten Gebieten der Punktwert höher sein und es gibt zeitweilig garantierte Mindesthonorare, um Anreize zu schaffen.


Budgetsteuerung zur Bedarfsplanung

Die Budgetsteuerung wirkt also als weiterer “Soft-Faktor” der Bedarfsplanung: Selbst wenn ein Gebiet formal offen ist, limitiert die Vergütung die Attraktivität. Junge Ärzte sollten dies in ihren Wirtschaftlichkeitsberechnungen berücksichtigen. Positiv hervorzuheben ist, dass angestellte Ärzte durch das eigene KV-Honorarvolumen Eigenständigkeit im Abrechnungssystem behalten – das kann bei späterer Übernahme einer Zulassung wichtig sein, weil ihre abgerechneten Scheine dann als Erfahrungswerte dienen.

Fazit: Praxisübernahme und Zulassungserweiterung 
Im vertragsärztlichen System sind von zahlreichen rechtlichen Vorgaben geprägt, aber sie bieten auch vielfältige Chancen. Berufsrechtlich ist für eine geordnete Übergabe gesorgt – Patientenschutz, Schweigepflicht und Kammerregularien gewährleisten eine ethische Praxisabgabe. Sozialrechtlich regelt die Bedarfsplanung in §§95, 103SGB V, wo und wie neue Vertragsärzte tätig werden dürfen. Offene Planungsbereiche laden zur Neuniederlassung ein, während in gesperrten Bereichen kreative Wege (Nachfolge, Jobsharing, MVZ-Anstellung) gefragt sind, um dennoch tätig zu werden.
Fazit Praxisübernahme und Zulassungserweiterung
Die Verfassungsrechtsprechung hat diese Steuerungsmechanismen im Grundsatz abgesegnet, mahnt aber Augenmaß an – die freie Arztberufsausübung bleibt ein hohes Gut. Für abgebende wie übernehmende Ärzte ist es entscheidend, die vertragsarztrechtlichen Regeln zu kennen: Sei es das Nachbesetzungsverfahren mit seinen Auswahlkriterien und Auflagen oder die Möglichkeiten, angestellte Kollegen einzubinden, ohne gegen das Umgehungsverbot zu verstoßen. Die aktuelle Rechtsprechung - etwa zur Drei-Jahres-Bindung bei Verzicht zugunsten Anstellung - unterstreicht die Bedeutung einer vorausschauenden und rechtssicheren Planung. Neben den juristischen Aspekten sollten Ärztinnen und Ärzte die wirtschaftlichen und strategischen Implikationen nicht außer Acht lassen. Eine Praxisübernahme will frühzeitig vorbereitet sein (fachlich, organisatorisch und finanziell). Instrumente wie Jobsharing, befristete BAG oder die Anstellung im Übergang können helfen, den/die ideale(n) Praxisnachfolger(in) zu finden und einzuarbeiten. Unterversorgung oder neue Kooperationsformen (MVZ) Chancen bieten günstigeren Bedingungen sich niederzulassen. 

Insgesamt ist die Praxisübernahme nach wie vor ein gangbarer Weg, um in der vertragsärztlichen Versorgung Fuß zu fassen - trotz aller Formalismen. Mit fundiertem juristischem Wissen, sorgfältiger Planung und professioneller Beratung lassen sich Hürden meistern. Die vorgestellten Regelungen sollen letztlich eine geordnete Versorgung und faire Chancen für alle Beteiligten gewährleisten. Für praktizierende Ärztinnen und Ärzte heißt das: Wer die Spielregeln kennt, kann seine berufliche Zukunft - ob als Abgeber oder Neuanfänger - souverän und erfolgreich gestalten. 
Quellen: Die dargestellten Informationen basieren auf den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen (SGB V, Ärzte-ZV), einschlägigen Urteilen (BVerfG, BSG) sowie Handreichungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Fachliteratur.

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Dr. jur. Martin Kind
20.06.2025

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