Trotz der neuen Freiheiten bleibt die fachliche Qualität oberstes Gebot. Jeder Arzt, der Leistungen außerhalb seines eigenen Fachgebiets erbringt, muss diese sicher beherrschen und nach dem aktuellen Stand der Medizin durchführen. Maßstab ist dabei der Facharztstandard des fremden Gebiets. Das bedeutet: Der Arzt muss sich so qualifiziert fortgebildet haben oder so kundig machen, dass seine Behandlung dem entspricht, was ein Facharzt des betreffenden Gebiets bieten würde. Halbwissen oder veraltete Kenntnisse sind nicht hinnehmbar. Diese Anforderung wird durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Arzthaftungsrecht untermauert. Bereits im Jahr 1981 hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass sich ein Arzt bei fachfremder Behandlung nicht entlasten kann mit dem Argument, er habe die fachspezifischen Veröffentlichungen des fremden Gebiets nicht gekannt. Konkret ging es in dem Fall um einen Urologen, der einem Patienten ein Tuberkulostatikum verordnet hatte, ohne zu wissen, dass in pneumologischen Fachkreisen bereits vor den Risiken für den Sehnerven gewarnt wurde.
Obwohl der Urologe diese Gefahr nicht kannte, hielt der BGH ihm zugute, dass er die Behandlung fachfremd vorgenommen hatte - aber zugleich fest, dass von jedem Arzt, der sich auf fachfremdes Terrain begibt, verlangt werden kann, den dort geltenden Standard zu kennen oder sich zumindest spezielle Informationen darüber einzuholen. Mit anderen Worten: Wer als Facharzt außerhalb seines Gebiets tätig wird, muss sich die Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Gebiets aneignen. Unkenntnis schützt nicht vor Haftung. Im Falle eines Behandlungsfehlers wird im Zweifel der objektive Facharztstandard des „Gastgebiets“ als Maßstab herangezogen. Ärzte sollten daher nur solche fachfremden IGeL anbieten, für die sie über ausreichende Erfahrung, Weiterbildung oder Qualifikation verfügen, um den gleichen Sicherheits- und Qualitätsstandard wie der einschlägige Gebietsfacharzt zu gewährleisten. Andernfalls drohen haftungsrechtliche Konsequenzen, falls dem Patienten aufgrund mangelnder Kenntnisse ein Schaden entsteht.