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Fachgebietsfremde IGeL-Leistungen nach Praxisübernahme 

Empfehlungen für die Praxisführung und Außendarstellung

Fachfremde IGeL-Leistungen können nach heutiger Rechtslage ein sinnvolles ergänzendes Angebot in einer Arztpraxis sein - unter strikter Beachtung einiger Grundregeln. Für Ärztinnen und Ärzte, die nach einer Praxisübernahme oder -gründung solche Leistungen anbieten wollen, lassen sich die folgenden Empfehlöungen festhalten.


Historischer Hintergrund: Facharztbeschluss 1972 und Fachgebietsgrenzen

Seit dem sogenannten Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1972 galt berufsrechtlich der Grundsatz, dass ein Arzt mit einer weiterbildungsrechtlichen Gebietsbezeichnung seine Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken hat. Die Landesärztekammern und Berufsgerichte interpretierten diese Vorgabe sehr restriktiv: Ausnahmen wurden nur für echte Notfälle sowie für Fälle zugelassen, in denen ein Patient aufgrund eines gewachsenen Vertrauensverhältnisses ausdrücklich eine fachfremde Behandlung wünschte. In der Praxis führte dies dazu, dass Fachärzte konsequent von Behandlungen außerhalb ihres Gebiets abgehalten wurden. So untersagten Berufsgerichte beispielsweise einem Gynäkologen die Schmerztherapie bei einem männlichen Patienten und einem Kinderarzt die Behandlung Erwachsener. Dieser strikte Kurs wurde mit dem Schutz der Patienten und der Aufrechterhaltung der besonderen Fachkenntnisse begründet.

Fachfremde IGeL Leistungen nach dem Praxiskauf
Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch bereits im Urteil vom 9. Mai 1972 (BVerfGE 33, 125) klargestellt, dass ein absolutes Verbot fachgebietsübergreifender Tätigkeit nur als generelle Richtlinie mit Ausnahmen verfassungsgemäß ist. Eine zu enge oder systematische Auslegung des Verbots, die keinerlei Raum für begrenzte fachfremde Behandlungen lässt, werde den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. 

Ungeachtet
dieser Leitlinien hielten viele Berufsordnungen der Länder (gestützt auf entsprechende Heilberufsgesetze) bis 2011 formal am Prinzip der Fachgebietsbindung fest. Beispielsweise sah § 31 Abs. 3 des Hamburgischen Kammergesetzes für Heilberufe (ebenso wie zahlreiche Berufsordnungen) vor, dass ein Arzt mit Gebietsbezeichnung grundsätzlich nur in diesem Gebiet tätig werden darf. Sachliche Gründe für diese Regel – insbesondere die Sicherung der Behandlungsqualität innerhalb des eigenen Fachgebiets – wurden vom BVerfG anerkannt. Dennoch war klar, dass eine starre Handhabung ohne Blick auf den Umfang der fachfremden Tätigkeit mit der Berufsfreiheit des Arztes aus Art. 12 Abs. 1 GG kollidieren könnte.


VerfG-Entscheidung 2011 (1 BvR 2383/10): Geringfügige fachfremde Leistungen zulässig

Am 1. Februar 2011 fällte das Bundesverfassungsgericht einen wegweisenden Beschluss (Az. 1 BvR 2383/10), der die strikte Fachgebietsbindung im Bereich der Privat- und Selbstzahlerleistungen deutlich lockerte. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurg) neben seinen üblichen Operationen im Kopf-Hals-Bereich auch Schönheitsoperationen an Brust, Bauch und Oberarmen durchgeführt – letztere fachlich dem Gebiet der Plastischen Chirurgie zuzuordnen. Der Anteil dieser fachfremden Operationen betrug unter 5 % seiner Gesamteingriffe. Die zuständige Ärztekammer und die Berufsgerichte werteten dies zunächst als Verstoß gegen die Berufsordnung, weil der Arzt „systematisch“ Leistungen außerhalb seines Fachgebiets anbot.

Das BVerfG sah darin jedoch eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Arztes und damit einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Kern der BVerfG-Entscheidung war die Feststellung, dass Fachärzte auch außerhalb ihres Weiterbildungsgebiets tätig sein dürfen, jedenfalls in geringfügigem Umfang. Das Gericht erteilte den übermäßig restriktiven Tendenzen der Berufsordnungen damit eine Absage. Eine feste Obergrenze für fachfremde Leistungen legte das BVerfG zwar nicht numerisch fest; es betonte jedoch, dass ein Anteil von weniger als 5 % der gesamten ärztlichen Tätigkeit eindeutig als geringfügig einzustufen sei. Im entschiedenen Fall wurde zur Bemessung dieses Anteils die Gesamtzahl der Operationen des Arztes herangezogen. Dieses Kriterium lässt sich verallgemeinern: Auch in anderen Praxisformen kann als Bezugsgröße die Gesamtzahl der Behandlungsfälle oder Patienten dienen. Mit anderen Worten: Solange fachgebietsfremde IGeL-Leistungen nur einen klar untergeordneten Bruchteil (nach der Faustregel etwa bis zu 5 %) der gesamten ärztlichen Tätigkeit ausmachen, sind sie berufsrechtlich zulässig.
Hinweis: Die BVerfG-Entscheidung bezieht sich unmittelbar auf den privatärztlichen Bereich, also IGeL- und Selbstzahlerleistungen. Auf die vertragsärztliche Versorgung (GKV-Bereich) hat sie keine unmittelbaren Auswirkungen. Im System der gesetzlichen Krankenversicherung gelten weiterhin die strikten Abrechnungs- und Zuständigkeitsgrenzen: Ein Vertragsarzt darf grundsätzlich nur Leistungen seines Fachgebiets zulasten der Krankenkasse abrechnen; fachfremde Leistungen sind in der GKV regelmäßig nicht genehmigungsfähig.
Fachfremde IGeL Leistungen in der Arztpraxis
Für die Privatpraxis dagegen – insbesondere nach einer Praxisübernahme oder -neugründung – bedeutet das Urteil eine erhebliche Erweiterung des beruflichen Spielraums: Fachfremde Selbstzahlerleistungen dürfen angeboten und privat liquidiert werden, solange der Arzt das Gebot beachtet, schwerpunktmäßig im eigenen Fach tätig zu bleiben.


Fachliche Qualifikation: Facharztstandard des fremden Gebiets und BGH-Rechtsprechung

Trotz der neuen Freiheiten bleibt die fachliche Qualität oberstes Gebot. Jeder Arzt, der Leistungen außerhalb seines eigenen Fachgebiets erbringt, muss diese sicher beherrschen und nach dem aktuellen Stand der Medizin durchführen. Maßstab ist dabei der Facharztstandard des fremden Gebiets. Das bedeutet: Der Arzt muss sich so qualifiziert fortgebildet haben oder so kundig machen, dass seine Behandlung dem entspricht, was ein Facharzt des betreffenden Gebiets bieten würde. Halbwissen oder veraltete Kenntnisse sind nicht hinnehmbar. Diese Anforderung wird durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Arzthaftungsrecht untermauert. Bereits im Jahr 1981 hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass sich ein Arzt bei fachfremder Behandlung nicht entlasten kann mit dem Argument, er habe die fachspezifischen Veröffentlichungen des fremden Gebiets nicht gekannt. Konkret ging es in dem Fall um einen Urologen, der einem Patienten ein Tuberkulostatikum verordnet hatte, ohne zu wissen, dass in pneumologischen Fachkreisen bereits vor den Risiken für den Sehnerven gewarnt wurde.

Obwohl der Urologe diese Gefahr nicht kannte, hielt der BGH ihm zugute, dass er die Behandlung fachfremd vorgenommen hatte - aber zugleich fest, dass von jedem Arzt, der sich auf fachfremdes Terrain begibt, verlangt werden kann, den dort geltenden Standard zu kennen oder sich zumindest spezielle Informationen darüber einzuholen. Mit anderen Worten: Wer als Facharzt außerhalb seines Gebiets tätig wird, muss sich die Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Gebiets aneignen. Unkenntnis schützt nicht vor Haftung. Im Falle eines Behandlungsfehlers wird im Zweifel der objektive Facharztstandard des „Gastgebiets“ als Maßstab herangezogen. Ärzte sollten daher nur solche fachfremden IGeL anbieten, für die sie über ausreichende Erfahrung, Weiterbildung oder Qualifikation verfügen, um den gleichen Sicherheits- und Qualitätsstandard wie der einschlägige Gebietsfacharzt zu gewährleisten. Andernfalls drohen haftungsrechtliche Konsequenzen, falls dem Patienten aufgrund mangelnder Kenntnisse ein Schaden entsteht.


Versicherungsrechtliche Aspekte: Berufshaftpflicht und neue Risiken

Ein oft übersehener Punkt bei der Aufnahme fachfremder Leistungen ist der Versicherungsschutz. Jeder niedergelassene Arzt hat eine Berufshaftpflichtversicherung, die bestimmte Tätigkeitsbereiche abdeckt. Vor dem Anbieten fachgebietsfremder IGeL-Leistungen sollte unbedingt eine Rücksprache mit der Haftpflichtversicherung erfolgen. Der Arzt muss sich von seinem Versicherer bestätigen lassen, dass auch die geplanten fachfremden Behandlungen vom Versicherungsschutz erfasst sind. Andernfalls läuft er Gefahr, dass im Schadensfall kein ausreichender Deckungsschutz besteht. Einige Versicherungsverträge betrachten bestimmte fachfremde Tätigkeiten als „neues Risiko“, das ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht mitversichert ist. Beispielsweise könnte eine Standard-Haftpflicht für einen Dermatologen keine Augenlaserbehandlungen abdecken, falls er solche (fachfremden) Leistungen anbieten möchte, sofern dies nicht gemeldet wurde.
Berufshaftpflicht und Risiken bei fachfremden IGeL Angebot
Die Kommunikation mit dem Versicherer sollte schriftlich erfolgen. Idealerweise beschreibt man die geplanten fachfremden Leistungen und lässt sich eine schriftliche Bestätigung geben, dass diese Leistungen in den bestehenden Versicherungsvertrag eingeschlossen sind oder eingeschlossen werden können. Gegebenenfalls ist eine Vertragsanpassung oder Prämienerhöhung nötig - das ist immer noch besser, als im Haftungsfall persönlich zu haften.


Außendarstellung und Werbung: Grenzen bei fachfremden IGeL Leistungen

Eine weitere Konsequenz der Geringfügigkeitsregel ist die Beschränkung in der Außendarstellung der Praxis. Zwar haben Ärztinnen und Ärzte heute deutlich erweiterte Möglichkeiten, über ihre Schwerpunkte und Leistungen zu informieren, doch es gelten klare Grenzen, sobald es um fachfremde Angebote geht. Das BVerfG hat betont, dass fachgebietsfremde Leistungen nur in untergeordnetem Umfang erfolgen dürfen. Folgerichtig dürfen solche Leistungen nicht als Tätigkeitsschwerpunkt beworben werden. Denn ein Tätigkeitsschwerpunkt in der Praxiswerbung suggeriert dem Patienten, dass dieser Bereich einen erheblichen Teil der ärztlichen Tätigkeit ausmacht und dass der Arzt hierin besondere Erfahrung besitzt. Dies stünde im Widerspruch dazu, dass fachfremde Behandlungen nur gelegentlich und geringfügig vorkommen sollen.

Die Musterberufsordnung erlaubt die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten und besonderen Angeboten in der Außendarstellung, verlangt aber Wahrheit und Klarheit. Ein Facharzt darf also grundsätzlich auf seiner Website, seinem Praxisschild oder in Flyern über Leistungen informieren, die er anbietet – auch IGeL-Leistungen, sofern sie medizinisch vertretbar sind. Unzulässig wäre es jedoch, ein fachfremdes Angebot in den Vordergrund zu stellen, etwa durch Formulierungen wie „Praxis für [fachfremde Leistung]“ oder durch Hervorhebung als besonderes Profilierungsmerkmal der Praxis. Die Landesärztekammern haben hierzu klargestellt, dass ein Arzt sich nicht als Spezialist in einem Gebiet ausgeben darf, für das er keinen Facharzttitel besitzt. Ebenso wenig darf er den Eindruck erwecken, die fachfremden Leistungen gehörten zu seinem routinemäßigen Tätigkeitsumfang, wenn laut BVerfG nur ein geringer Anteil zulässig ist.

Arztbörsen Tipp Außendarstellung
Fachfremde IGeL können in der Kommunikation nach außen erwähnt werden, aber eher zurückhaltend und sachlich. Empfehlenswert ist es, sie etwa unter „zusätzliche Leistungen“ aufzuführen, ohne sie als besondere Spezialisierung hervorzuheben. Beispielsweise kann ein HNO-Arzt, der kosmetische Botox-Injektionen anbietet, dies auf der Website erwähnen - er sollte aber nicht die Praxis als Zentrum für Schönheitsmedizin darstellen oder diese Leistung zum Werbeschwerpunkt machen. Die Wettbewerbszentralen und Kammern achten darauf, dass Werbung nicht irreführend ist. Ein Verstoß gegen diese Regeln könnte als berufsrechtliches Fehlverhalten gewertet und abgemahnt werden. Insgesamt gilt: Offenheit ja, aber keine „marktschreierische“ Werbung für fachfremde Angebote. Es sollte stets erkennbar bleiben, was das eigentliche Fachgebiet der Praxis ist und dass fachfremde Leistungen lediglich ergänzend und im kleinen Umfang zur Verfügung stehen.


Verfassungsrechtlicher Rahmen: Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und der Arzt als freier Beruf

Berufsfreiheit als Arzt beim Igeln
Der verfassungsrechtliche Hintergrund all dieser Regelungen ist die in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete Berufsfreiheit. Diese schützt nicht nur die Wahl des Berufs, sondern auch die Freiheit der Berufsausübung, also wie und in welchem Umfang ein Beruf ausgeübt wird. Einschränkungen der Berufsausübung - wie etwa die Beschränkung eines Facharztes auf sein Gebiet – bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und müssen durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein.
Außerdem müssen sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, also geeignet, erforderlich und zumutbar sein, um das legitime Ziel (hier: Qualitätssicherung und Patientenschutz) zu erreichen. Im Lichte dieser Maßstäbe hat das Bundesverfassungsgericht die strikte Fachgebietsbindung einer kritischen Prüfung unterzogen. Es erkannte an, dass die Erhaltung der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharztes in seinem Gebiet ein legitimes Gemeinwohlziel ist.

Dieses Ziel rechtfertigt es grundsätzlich, Fachärzte anzuhalten, sich im Kern auf ihr Fach zu konzentrieren. Die Verfassungsrichter betonten jedoch, dass es nicht erforderlich ist, hierfür ein generelles Verbot fachfremder Tätigkeit auszusprechen. Ein solch pauschales Verbot schießt über das Ziel hinaus und greift unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit ein. Schließlich, so die Argumentation, gewährleistet bereits die umfassende medizinische Ausbildung (Approbation plus Facharztweiterbildung), dass ein Arzt grundsätzlich kompetent ist, auch jenseits seines Spezialgebiets ärztlich tätig zu werden. Die langjährige Facharzttätigkeit stellt zudem sicher, dass der Arzt seine spezifischen Fertigkeiten überwiegend in seinem Gebiet einsetzt und dadurch erhält. Solange also die fachfremde Tätigkeit den Rahmen des Nebensächlichen nicht überschreitet, ist die Gefahr eines Qualitätsverlustes gering. 

Fazit: IGeL Empfehlungen für Praxisführung und Außendarstellung

1. Umfang gering halten:
Planen Sie fachfremde Leistungen nur in geringfügigem Umfang ein. Orientieren Sie sich an der 5%-Grenze aus dem BVerfG-Beschluss. Das heißt: Weniger als etwa 5 % Ihrer Behandlungsfälle oder Leistungen sollten außerhalb Ihres Fachgebiets liegen, damit kein Eindruck einer systematischen fachfremden Tätigkeit entsteht. Konzentrieren Sie sich nach wie vor schwerpunktmäßig auf Ihr Fachgebiet – das bildet das Rückgrat Ihrer Praxis.

2. Qualifikation sicherstellen:
Bieten Sie nur fachfremde Leistungen an, die Sie auch wirklich beherrschen. Machen Sie sich mit dem aktuellen Facharztstandard des betreffenden Gebiets vertraut. Ggf. absolvieren Sie Fortbildungen oder Hospitationen in diesem Bereich. Halten Sie Fachliteratur und Leitlinien des fremden Gebiets bereit. Denken Sie an den BGH-Grundsatz: Unwissenheit über spezielle Risiken oder Methoden schützt nicht vor Verantwortung. Ihre Patienten dürfen keinen Qualitätsnachteil dadurch haben, dass Sie nicht der einschlägige Spezialist sind.

3. Haftpflicht informieren:
Nehmen Sie rechtzeitig Kontakt zu Ihrer Berufshaftpflichtversicherung auf, bevor Sie fachfremde Leistungen durchführen. Lassen Sie sich schriftlich bestätigen, dass diese Leistungen vom Versicherungsschutz umfasst sind. Stimmen Sie ggf. einer Vertragsänderung oder Zusatzprämie zu – es geht um Ihre Existenz im Ernstfall. Dokumentieren Sie diese Korrespondenz sorgfältig.

4. Dokumentation und Aufklärung:
Behandeln Sie fachfremde IGeL mit der gleichen Sorgfalt bei Dokumentation und Aufklärung wie risikobehaftete Eingriffe. Klären Sie Patienten umfassend darüber auf, dass es sich um eine Wunschleistung außerhalb der GKV-Leistungen handelt. Gehen Sie auf eventuelle spezielle Risiken ein, gerade weil der Patient Sie möglicherweise nicht als „Spezialisten“ für dieses Gebiet wahrnimmt. Holen Sie eine schriftliche Einwilligung ein. Eine gründliche Dokumentation schützt Sie im Streitfall und zeigt Ihre Professionalität.

5. Zurückhaltende Außendarstellung:
Bewerben Sie fachfremde Leistungen allenfalls dezent. Vermeiden Sie Begriffe wie „Spezialist für ...“ oder „Schwerpunkt XY“, wenn XY nicht Ihr Fachgebiet ist. Eine schlichte Erwähnung unter „Leistungsspektrum“ genügt. Betonen Sie lieber Ihre eigentliche Facharztkompetenz und nennen die fachfremde IGeL als ergänzendes Angebot. Achten Sie darauf, dass Ihre Praxis nach außen nicht den Anschein einer fachfremden Spezialpraxis erweckt – dies könnte nicht nur berufsrechtlich, sondern auch wettbewerbsrechtlich problematisch sein. Orientieren Sie sich an den Empfehlungen Ihrer Ärztekammer zur Praxiswerbung.

6. Orientierung an Berufsordnung und Kammerhinweisen:
Bleiben Sie über die aktuellen Berufsordnungen und Verlautbarungen Ihrer Landesärztekammer informiert. Nach der BVerfG-Entscheidung haben viele Kammern Leitfäden für IGeL und Praxisführung veröffentlicht. Nutzen Sie diese Ressourcen. Im Zweifelsfall können Sie bei Ihrer Kammer Rat einholen, ob eine bestimmte fachfremde Leistung oder Werbemaßnahme zulässig ist. Die Kammern sehen es meist gern, wenn Mitglieder proaktiv nachfragen - das demonstriert Verantwortungsbewusstsein.


Zusammenfassung: Fachfremde IGel Leistungen 
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil 2011 einen realitätsnahen Ausgleich zwischen ärztlicher Berufsfreiheit und Patientenschutz geschaffen hat. Nach einer Praxisübernahme oder Neugründung dürfen Ärztinnen und Ärzte heutzutage ihr therapeutisches Spektrum maßvoll erweitern und auch Leistungen außerhalb ihres Gebiets auf Selbstzahlerbasis anbieten, um den Bedürfnissen ihrer Patienten gerecht zu werden und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Zusammenfassung: Fachfremde IGeL Leistungen
Diese neue Freiheit kommt jedoch mit Verantwortung: Wer fachfremd behandelt, muss es ebenso gut sein wie der Spezialist und darf das Vertrauen der Patienten nicht enttäuschen. Werden die genannten Kautelen - geringer Umfang, hohe Qualität, versicherungsrechtliche Absicherung und zurückhaltende Kommunikation - eingehalten, lassen sich berufsrechtliche Vorgaben und eine vernünftige Außendarstellung in Einklang bringen. Der Arzt bleibt damit ein freier Beruf im besten Sinne: frei in der Gestaltung des Leistungsangebots, aber gebunden an die Selbstverpflichtung zu hoher Qualität und Integrität.
Quellen:
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.05.1972 – Facharztbeschluss (BVerfGE 33, 125).

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.02.2011 – 1 BvR 2383/10
Hamburgisches Kammergesetz für Heilberufe § 31 Abs. 3; Hessisches Heilberufegesetz § 34.
Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO 2003), § 2 Abs. 2 (Definition der Gebietsgrenzen).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.1981 – Arzthaftungsrecht (VI. Zivilsenat).
Bundesgerichtshof, weitere Rspr. zur Aufklärung und Haftung (z.B. BGH NJW 1987, 500).
Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) und Landesberufsordnungen - Grundpflicht zur gewissenhaften Berufsausübung und Einhaltung von Fachgrenzen.
Fachfremde IGeL-Leistungen nach dem Praxiskauf, Arztbörse.de, 14.07.2015.
Anna Stenger, LL.M.: Bundesverfassungsgericht öffnet Fachgebietsgrenzen
Hannah Solms: Privatärztliche Behandlung ohne Weiterbildung – Müssen Fachgebietsgrenzen nachjustiert werden?
Ärztekammer Berlin: Wegweiser IGeL-Leistungen (Kammerschrift).

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Dr. Sebastian Lanz
14.07.2024

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