Schwächelt die ambulante Versorgung, dann schwächelt die gesamte Medizin. Daher sollte ein Praxiskauf gesundheitspolitisch und finanziell gefördert werden, Arztpraxis Neugründungen subventioniert. Hört man auf die Patienten, so scheint ihre Zufriedenheit mit der ambulanten Versorgung eher abzunehmen. Das heißt sicher nicht, dass Krankenhäuser besser arbeiten als Arztpraxen. Vielmehr sind die politischen Rahmenbedingungen der Medizin für den Patienten in einer Arztpraxis leichter erkennbar als in einem für ihn relativ unübersichtlichen Krankenhaus.
Kassenpatienten versus Privatpatienten
In der Praxis erfährt man bereits bei der telefonischen Terminvergabe etwas über die dortige Arbeitsweise. Zuweilen hat sich bereits eine Zweiklassen Medizin eingespielt. Zuerst die Privatpatienten, dann die Kassenpatienten. In manchen Praxen gibt es off enbar unterschiedliche Warteräume für Privatpatienten und Regelversicherte, aber man bemüht sich die Kontakte zwischen beiden Gruppen zu minimieren.
Auch die Zeiten, die der Arzt dem Patienten widmet, werden mitunter mit zweierlei Maß gemessen. Wie kommt es, dass eine Grundregel des ärztlichen Handelns, alle Patienten gleich und nur nach der medizinischen Notwendigkeit zu behandeln, unabhängig von Person, Rang und Einkommen, offensichtlich in kurzer Zeit ihre Gültigkeit zu verlieren droht?
Die Arztpraxis als Unternehmen
Um diese Frage beantworten zu können, muss man wissen, wie Ärzte heute wirtschaften. Ein niedergelassener Arzt erwirbt zunächst einen Kassensitz und mit ihm das Recht, kassenvrsicherte Patienten zu behandeln. Anschließend muss er die Ausstattung seiner Praxis finanzieren und natürlich alle laufenden Personalkosten und Sachkosten tragen.
Das Entgeltsystem des sogenannten „Einheitlichen Bewertungsmaßstabs EBM ist sehr kompliziert. Abrechenbare Leistungen haben eine Ziffer bzw. EBM Nummerund eine Punktzahl. Die Punktzahlen geben das Wertverhältnis der medizinischen Leistungenin der Arztpraxis wieder.
IGeL Leistungen und Praxis Budgetierung nach der Übernahme
Der Punktwert regelt nicht direkt das Arzthonorar, sondern die Verteilung des durch die Kasse vorher festgelegten Honorarvolumens für alle Ärzte. Es handelt sich somit um ein flexibles Budget. Nur wenige definierte extrabudgetäre Leistungen werden außerhalb dieses Systems vergütet.
Der Arzt kann damit eine vorgegebene, von Quartal zu Quartal unterschiedliche Anzahl von Leistungen zu festem Punktwert, also mit gesicherter Vergütung, behandeln. Überschreitungen führen zu erheblichen, zum Teil drastischen Abschlägen. Zudem erfolgt eine Plausibilitätsprüfung der erbrachten medizinischenLeistungen in der Arztpraxis in Bezug auf angenommene Tageshöchst Arbeitszeiten.
Hürden der Bürokratie nach der Praxisübergabe
Dazu kommt noch eine erhebliche Ungewissheit über zukünftige Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit, die alle Kalkulationen zu einem Spiel mit mehreren Unbekannten machen. Es müssen sich also dringend die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen ändern, um eine Praxisübernahme für angehende Ärzte wieder attraktiver zu machen.