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Standortanalyse und Geomarketing für die Arztpraxis

Wichtige Standortparameter bei der Praxisübernahme

Die Wahl des Praxisstandorts ist ein zentrales Kriterium bei der Niederlassung und Praxisübernahme im vertrags- und privatärztlichen Bereich. Die Arztbörse unterstützt Ärzt:inne nicht nur bei der Suche nach Praxisangeboten nach Postleitzahl, Ort und Fachrichtung, sondern bietet auch Geomarketing-Tools und Standortanalysen an – ein wichtiger Fortschritt im Kontext der wirtschaftlichen und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen. Denn mehr denn je entscheidet nicht nur die Scheinzahl, sondern die strategisch kluge Lage über den wirtschaftlichen Erfolg einer Arztpraxis.


Relevanz des Praxisstandorts im rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext

Sozialrechtlicher Hintergrund
Nach §95 SGBV ist jede vertragsärztliche Zulassung an einen konkreten Ort gebunden. Ein späterer Umzug der Praxis erfordert in gesperrten Planungsbereichen eine aufwendige Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§24 Ärzte-ZV) und ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Dabei droht der Verlust der Budgetbindung oder gar der Zulassung selbst, wenn der neue Standort planungsrechtlich nicht mehr zulässig ist.

Arztbörse Geomarketing
Wirtschaftliche Bedeutung
Ein Standortwechsel ist regelmäßig mit erheblichen Verlusten an Patientenbindung, Personalstruktur und Infrastruktur verbunden. Deshalb empfiehlt es sich, bereits vor dem Kauf einer Praxis eine tiefgreifende Standortanalyse durchzuführen. Derartige Analysen werden zunehmend zum Standard – vergleichbar mit Due-Diligence-Prüfungen in der Wirtschaft – insbesondere angesichts der hohen Investitionssummen im Rahmen von Praxisübernahmen (je nach Fachrichtung zwischen 150.000€ und 500.000€).


Standortanalyse für die Arztpraxis

1. Heilberufliche Versorgungsdichte

  • Fachgleiche Ärzte im Radius von 2km / 5km
  • Verwandte Fachrichtungen (z.B. Hausarzt vs. Internist)
  • Apotheken
  • Krankenhäuser mit Relevanz für Überweisungen
  • Therapieeinrichtungen (Physiotherapie, Psychotherapie)
  • Alten- und Pflegeeinrichtungen

    Diese Angaben ermöglichen eine Konkurrenzanalyse, aber auch strategische Kooperationsplanungen. Ein starker interdisziplinärer Gesundheitscluster kann Synergien schaffen – etwa im Rahmen einer späteren MVZ-Gründung.

2. Medizinische Infrastruktur

  • Öffentliche Anbindung (ÖPNV, Bahnhöfe, Haltestellen)
  • Verkehrsanbindung (Autobahn-/Schnellstraßennähe)
  • Parkmöglichkeiten für Patienten
  • Barrierefreiheit

    Ein guter Zugang erleichtert die Patientenbindung und kann insbesondere in Städten mit hohem Pendleranteil entscheidend sein. In ländlichen Regionen hingegen ist die Nähe zu Versorgungszentren oft wichtiger als die S-Bahn-Haltestelle.

3. Lokale Bevölkerungsstruktur

  • Bevölkerungsdichte (Einwohner je km²)
  • Altersstruktur (Kinder, Erwerbsfähige, Senioren)
  • Geschlechterverteilung
  • Haushaltsgrößen (Anteil Alleinlebender vs. Familien)
  • Anteil sozial Bedürftiger (Hartz-IV-Empfängerquote)
  • Migrationshintergrund / Ausländeranteil

    Diese demografischen Daten beeinflussen maßgeblich die zu erwartende Morbiditätsstruktur und Nachfrage. Kinderreiche Viertel begünstigen pädiatrische oder allgemeinärztliche Praxen, während eine hohe Seniorendichte internistische und orthopädische Versorgungsprofile attraktiv macht.
4. Kaufkraft- und Leistungsindex
Medizinischer Kaufkraftindex (MKKI) für das direkte Praxisumfeld, den 5-km- und 10-km-Radius.
Der MKKI erlaubt Rückschlüsse auf die private Nachfrage nach IGeL-Leistungen, privatärztlicher Versorgung und privatwirtschaftlicher Kooperationsmöglichkeiten (z.?B. mit Unternehmen, Fitnessstudios oder Pflegeeinrichtungen). In Gebieten mit hohem MKKI besteht meist ein höherer Anteil privat versicherter Patientinnen und Patienten sowie eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für Selbstzahlerangebote.
Geomarketing und Standortanalyse für die Arztpraxis

5. Konkurrenzdichte (Kategorienanalyse)

Im Radius von 2 und 5 km wird die Konkurrenzsituation systematisch analysiert – u.a. in Bezug auf:

  • Gleichartige Facharztpraxen
  • Fachverwandte Disziplinen
  • Allgemeinmedizinisch tätige Einrichtungen
  • Krankenhausabteilungen mit ambulanten Angeboten
  • Apotheken mit hoher Frequenz

Diese Auswertung hilft, die Marktstellung und Marktsättigung realistisch einzuschätzen und Differenzierungsstrategien zu entwickeln.

6. Praxisbezogene Daten

  • Anzahl der Behandler
  • Vorhandene Schwerpunkte (z.B. Palliativmedizin, Endoskopie, Diabetologie)
  • Struktur der Praxis (Einzel-, Gemeinschafts- oder Zweigpraxis)
  • Entfernung zu eigenen Betriebsstätten (bei Erweiterung)
  • Bestehende Kassenzulassung (Einzelleistungserbringer oder MVZ-Träger)

    Diese Daten ermöglichen eine Einschätzung des organisatorischen Potenzials (z.B. für Kooperationen, MVZ-Integration oder Jobsharing-Modelle).


Juristisch-strategische Bedeutung von Geomarketing im Praxisverkehr

Standortparameter bei der Praxisübernahme
Rechtlich anerkanntes Werbemittel
Die Darstellung eines gut dokumentierten Praxisstandorts ist berufsrechtlich zulässig, sofern sie sachlich und nicht irreführend ist (§27 MBO-Ä). So dürfen Praxisinserate auf Ärztebörsen Standortvorteile, Patientenzahlen, Lagekennzeichen und Erreichbarkeit enthalten, wenn diese objektiv nachvollziehbar sind.
Vermeidung von Fehlentscheidungen
Ein späterer Standortwechsel ist mit hohen Genehmigungshürden (§24 Ärzte-ZV) und Verlust von Zulassungs- oder Budgetprivilegien verbunden. Eine fundierte Standortanalyse kann daher rechtlich riskante Fehlentscheidungen vermeiden und sowohl Übernehmern als auch Verkäufern Klarheit geben.

Verhandlungsvorteil beim Kaufpreis
Praxisabgeber profitieren von einer nachvollziehbaren Standortanalyse, die den wirtschaftlichen Wert des Standorts untermauert. In vielen Fällen verbessert eine nachgewiesene Frequenzlage oder ein günstiger MKKI den Verkaufswert. Banken und Steuerberater nutzen solche Daten zunehmend zur Bewertung bei Finanzierungsanträgen.


Fazit: Standortanalyse als Pflicht, nicht als Kür

In Zeiten dynamischer Gesundheitsmärkte und wachsender Konkurrenz reicht es nicht mehr aus, bei der Praxiswahl nur auf Scheinzahlen oder vorhandene Kassenzulassungen zu schauen. Der wirtschaftliche Erfolg hängt maßgeblich von der Lage, der Frequenz und der soziodemografischen Struktur des Praxisumfelds ab.

Eine fundierte Standortanalyse mit Unterstützung durch spezialisierte Tools (wie sie von Ärztekammern, KVen und Praxisbörsen angeboten werden) sollte daher fester Bestandteil jeder Praxisplanung sein – sei es bei der Praxisübernahme, Neugründung oder Verlagerung.

Tipps für Ärztinnen und Ärzte
  • Frühzeitig Standortdaten analysieren – bereits vor Kontaktaufnahme mit Abgebern oder Inserenten
  • Professionelle Tools nutzen – z.?B. Geoanalyse-Plattformen, MKKI-Abfragen, Konkurrenzkarten
  • Standort im Inserat präsentieren – Abgeber: Standortvorteile belegen, MKKI erwähnen
  • Im Übernahmevertrag klar regeln, ob Standortbindung oder Umzug geplant ist
  • Rechtsberatung einholen, wenn Standortwechsel in gesperrtem Planungsbereich geplant wird
  • Nutzung steuerlicher Vorteile prüfen – etwa bei Investitionen in Immobilie oder bei Ablöseverhandlungen
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PD. Dr. med. Christian Ottomann
25.01.2025

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