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IGeL Leistungen nach der Praxisübernahme

Sozial-, berufs- und ärztekammerrechtliche Aspekte

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat sich mit einer grundsätzlichen Frage zur vertragsärztlichen Honorarverteilung befasst, die bundesweit relevant ist. Es ging um die Quotierung sogenannter IGeL-Leistungen (Individuelle Gesundheitsleistungen) nach einer Praxisübernahme bzw. Neugründung, also die Frage, ob solche außerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) vergüteten Leistungen mit einem gekürzten Punktwert honoriert werden dürfen. Das LSG bejahte dies und gab der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Recht. Konkret betraf der Fall einen Hausarzt, der nach Praxisneugründung vermehrt Akupunkturleistungen erbrachte.

Die KV unterwarf diese extrabudgetären Leistungen einer Quote, sodass am Ende nicht der volle Orientierungspunktwert ausbezahlt wurde, sondern nur ein entsprechend reduzierter Restpunktwert. Die Entscheidung hat Grundsatzcharakter: In vielen KVen gibt es neben RLV-Regelungen auch Quotierungen für „freie“ Leistungen (oft als IGeL bezeichnet), was insbesondere bei Praxisübernahmen finanzielle Planungen der Ärzte beeinflusst. Zum Zeitpunkt des LSG-Urteils war die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig. Inzwischen hat das BSG die Frage entschieden (Urteil aus dem Jahr 2019).  Im Folgenden werden die sozialrechtlichen Grundlagen, berufs- und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen sowie praktische Tipps für Ärzte beim Umgang mit IGeL nach einer Praxisübernahme dargestellt.


Sozialrechtliche Grundlagen der Honorarverteilung

IGeL Leistungen und Praxisübernahme
Regelleistungsvolumen (RLV) und extrabudgetäre Leistungen: In der vertragsärztlichen Versorgung wird das Gesamtbudget in berechnete Leistungsvolumina aufgeteilt. Das RLV begrenzt die Vergütung für „normale“ kassenärztliche Leistungen pro Quartal – wird es überschritten, sinkt der Punktwert („Budgetierung“). Daneben gibt es extrabudgetäre Leistungen (auch „vorweg vergütete“ oder freie Leistungen genannt), die außerhalb des RLV voll bezahlt werden sollten.
Der Gesetzgeber hat bestimmte Leistungen bewusst vom RLV ausgenommen, z.B. medizinisch erforderliche Leistungen, qualifikationsgebundene Leistungen oder Leistungen, die von wenigen Ärzten einer Fachgruppe erbracht werden. Dadurch sollte verhindert werden, dass geförderte Leistungen bei Überschreiten des RLV nur mit abgewerteten Preisen honoriert würden. Beispiele sind qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) für bestimmte Spezialleistungen, neue Leistungen in der Einführung oder ehemals individuelle Gesundheitsleistungen, die ins GKV-System integriert wurden.


Problem der IGeL Mengenausweitung

Die Idee der vollen Vergütung extrabudgetärer Leistungen führte jedoch zu einem neuen Problem: Wenn einige Praxen ihr Leistungsvolumen in diesen freien Bereichen stark ausweiten, kann dies zulasten der Gesamtvergütung und indirekt zulasten anderer Ärzte gehen. Nicht alle Fachgruppen haben gleichermaßen die Möglichkeit, viele IGeL oder freie Leistungen anzubieten. Ärzte ohne solche Leistungen könnten also durch sinkende RLV-Fallwerte oder Budgetknappheit benachteiligt werden, ohne selbst einen Ausgleich erzielen zu können. Um diese Schieflage zu verhindern, hat der Erweiterte Bewertungsausschuss den KVen ausdrücklich die Möglichkeit von Steuerungsmaßnahmen auch für extrabudgetäre Leistungen eröffnet. Mit solchen Mengenbegrenzungen soll sichergestellt werden, dass Leistungsausweitungen im freien Bereich nur diejenigen Praxen treffen, die sie verursachen – Ärzte, die keine IGeL im Angebot haben, sollen nicht indirekt „mitbezahlen“ müssen.


Rechtsgrundlage für IGeL Quotierungen

Nach den Beschlüssen des Bewertungsausschusses (insb. 2009 im Zuge der Einführung von RLV) dürfen Leistungen außerhalb von RLV einer Steuerung unterzogen werden, um nachteilige Auswirkungen auf die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zu verhindern. Wichtig ist: Das Sozialgesetzbuch V schließt Steuerungsmaßnahmen für extrabudgetäre Leistungen nicht aus.
Igel Leistungen Berufs-und ärztekammerliche Aspekte
Nur für innerhalb des RLV erbrachte Leistungen schreibt §87b Abs.1 S. 2SGB V vor, dass sie nach der Euro-Gebührenordnung (EBM) voll zu vergüten sind. Umgekehrt bedeutet dies: Für Leistungen außerhalb des RLV ist weder ein Anspruch auf vollen Orientierungspunktwert garantiert, noch besteht ein gesetzliches Verbot, diese Leistungen zu steuern. §87b Abs.1 S.7SGB V erlaubt sogar ausdrücklich, Leistungen vom RLV auszunehmen– was aber nicht impliziert, dass insoweit keine weiteren Begrenzungen zulässig wären.

Die konkrete Ausgestaltung überließ der Bewertungsausschuss den regionalen Partnern; die KVen regeln dies in ihren Honorarverteilungsverträgen (HVM). Im entschiedenen Fall hatte die KV Baden-Württemberg von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und neue Praxen – wie die des klagenden Hausarztes – einem Quotierungssystem unterworfen, das u.a. Akupunkturleistungen nur anteilig vergütete (also z.B. nur 50% des sonst üblichen Punktwerts nach Überschreiten einer bestimmten Menge). Das LSG bestätigte diese HVM-Regelung als vereinbar mit Bundesrecht und den BA-Beschlüssen. Aktueller Stand (BSG-Urteil): Das BSG hat in seinem Urteil vom 26.06.2019 (Az. B 6 KA 66/17 R) die LSG-Entscheidung teilweise korrigiert. Zwar hat das BSG nicht grundsätzlich verboten, extrabudgetäre Leistungen zu quotieren, aber es stellte klar, dass neue Praxen in der Aufbauphase besondere Berücksichtigung finden müssen.

Eine pauschale Quotierung unmittelbar nach Praxisübernahme kann unzulässig sein, wenn sie den Arzt von Anfang an wirtschaftlich übermäßig benachteiligt. Die KV muss also sicherstellen, dass für Aufbaupraxen (typischerweise in den ersten 1–2 Jahren) angemessene Übergangsregelungen existieren. Im entschiedenen Fall wurde die Sache an das LSG zurückverwiesen, um die Angemessenheit der konkreten Quote im Hinblick auf die Praxisaufbauphase erneut zu prüfen. (Hinweis: Die genauen Details des BSG-Urteils sollten betroffene Ärzte bei ihrer KV erfragen oder juristischen Rat einholen)


Berufsrechtliche und ärztekammerrechtliche Aspekte

Unabhängig von der Frage der KV-Vergütung unterliegen IGeL-Leistungen strengen berufsrechtlichen Vorgaben. Die (Muster-)Berufsordnung für Ärzte und die Ärztekammern fordern einen verantwortungsvollen Umgang mit Selbstzahlerleistungen. Wichtige Punkte sind:
IGeL-Sozialrechtliche-Grundlagen

1. Medizinische Vertretbarkeit:

IGeL dürfen nur angeboten werden, wenn sie aus ärztlicher Sicht medizinisch sinnvoll oder zumindest vertretbar sind. Ein Arzt darf keine unnötigen Leistungen „verkaufen“. §?12 Abs.?1SGB V präzisiert, dass GKV-Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Für IGeL bedeutet das: Sie liegen per Definition über dem Maß des medizinisch Notwendigen, müssen aber trotzdem fachlich nachvollziehbar und im Interesse des Patienten sein. Ähnliches ergibt sich aus der Berufsordnung, die die Wahrung des Patientenwohls und das Unterlassen von unverhältnismäßigen Maßnahmen gebietet.

2. Aufklärung und Freiwilligkeit:

Patienten müssen vorher umfassend aufgeklärt werden. Dazu zählen die medizinische Information (Was ist Zweck und Nutzen der Leistung? Welche Alternativen gibt es?) sowie die wirtschaftliche Aufklärung (Kosten und keine Erstattung durch Kasse). Der Patient darf nicht das Gefühl haben, die Leistung sei ihm aufgedrängt. Die Bundesärztekammer betont, dass der Arzt möglichst objektiv über den Umfang und die Einschränkungen der GKV-Leistung informieren soll, damit der Patient frei entscheiden kann. Aggressive Werbung für IGeL ist unzulässig – Ärzte dürfen nicht durch irreführende Versprechen oder Druck den Absatz von Selbstzahlerleistungen forcieren. Dies wurde in der Vergangenheit von Krankenkassen kritisiert (z.B. der Ersatzkassenverband vdek beklagte 2013 „aggressive“ Vermarktung von IGeL). Berufsrechtlich könnte ein solches Verhalten als Verstoß gegen das Gebot der Kollegialität und Unabhängigkeit gewertet werden.

3. Schriftlicher Behandlungsvertrag:

Für gesetzlich Versicherte schreibt der Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) vor, dass vor Erbringung einer IGeL ein schriftlicher Vertrag mit dem Patienten geschlossen wird. Darin muss der Patient ausdrücklich der privatärztlichen Behandlung zustimmen. Insbesondere §18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä verlangt die schriftliche Einwilligung des Versicherten und den Hinweis auf seine Pflicht zur Kostentragung. Dieser Vertrag dokumentiert, dass der Patient die Leistung wünscht und weiß, dass sie nicht Teil der GKV-Versorgung ist. Er sollte Art und Umfang der Leistung, die voraussichtlichen Kosten sowie den Hinweis enthalten, dass keine Erstattung durch die Kasse erfolgt. Ohne einen solchen Vertrag darf ein Vertragsarzt von einem GKV-Patienten keine Vergütung fordern. Das Patientenrechtegesetz (2013 ins BGB aufgenommen) stärkt ebenfalls die Transparenz: IGeL fallen unter den Behandlungsvertrag (§ 630a BGB ff.), der vor Durchführung zu schließen ist.

4. Abrechnung nach GOÄ:

Alle IGeL-Leistungen sind nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abzurechnen. Dies ist gesetzlich klar: „Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach der GOÄ, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist“. Da IGeL keine GKV-Leistungen sind, greift die GOÄ. Für Ärzte bedeutet dies, dass sie sich an die GOÄ-Gebührenpositionen und Steigerungsfaktoren halten müssen. Pauschalangebote oder willkürliche Preise sind nicht zulässig. Verstöße gegen die GOÄ (z.B. überhöhte Rechnungen, falsche Ziffern) können berufsrechtliche Konsequenzen haben und im Streitfall zivilrechtlich (Honorarabrechnung) angefochten werden.

5. Einhaltung des Fachgebiets:

Ein Arzt darf nur IGeL anbieten, die in seinem Fachgebiet liegen oder für die er eine entsprechende Qualifikation besitzt. Die Berufsordnung verlangt, dass Ärzte nur solche Verfahren anwenden, in denen sie ausreichend geschult sind. Beispielsweise darf ein Gynäkologe nicht ohne Weiteres fachfremde Leistungen wie etwa Akupunktur für allgemeine Schmerztherapie als IGeL anbieten, wenn ihm die entsprechende Weiterbildung/Genehmigung fehlt. In einem bekannten Fall wurde die Abrechnung von Akupunktur durch einen Facharzt für Gynäkologie als unzulässig erachtet, nachdem die EBM-Regelungen geändert wurden. Tipp: Prüfen Sie stets die Vorgaben Ihrer KV (Qualifikationsvorgaben, ggf. Genehmigungspflichten) bevor Sie neue Selbstzahlerleistungen einführen.


Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

IGeL Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen
Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes sind IGeL-Leistungen nach Praxisübernahme interessant. Im Kern geht es um die Berufsfreiheit des Arztes (Art.12 GG) und das Recht, seine Praxis wirtschaftlich erfolgreich zu führen, versus die Sozialbindung des Vertragsarztrechts (Kollektivvertrag mit Budgetbegrenzungen im Interesse der Solidargemeinschaft).
Kein Anspruch auf unbegrenztes Honorar:

Vertragsärzte haben verfassungsrechtlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Einkommenshöhe oder volle Kostendeckung durch GKV-Honorare. Das BVerfG betont den „unternehmerischen Zug“ freiberuflicher Tätigkeit: Der frei praktizierende Arzt trägt ein wirtschaftliches Risiko und hat keine Gewähr, dass seine Praxis einen bestimmten Gewinn abwirft. Insbesondere ist es – so wörtlich – „unerheblich, in welcher Höhe der einzelne Vertragsarzt Honoraransprüche erwerben und ob seine Praxis einen ausreichenden Gewinn abwerfen kann“. Diese Aussage untermauert, dass Budgetierungen und Honorarverteilungsmechanismen grundsätzlich hinzunehmen sind, solange sie nicht die Berufsfreiheit in ihrem Wesensgehalt verletzen.

Schranken der Budgetierung: Allerdings hat das BVerfG auch klargestellt, dass es Grenzen gibt. Wenn hoheitliche Maßnahmen zu weitergehenden Eingriffen in die durchstrukturieren Marktbedingungen führen, könnte die Berufsfreiheit verletzt sein. Ein Beispiel wäre, wenn ein Arzt durch Vergütungsregelungen unmöglich gemacht würde, seine Praxis wirtschaftlich zu betreiben. Solche Fälle wären etwa denkbar, wenn die Honorare so drastisch gekürzt würden, dass selbst bei durchschnittlicher Leistung keine Kostendeckung mehr möglich ist – dann stünde der Eingriff in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Gemeinwohlziel. In der Vergangenheit haben Ärzte gegen Honorarverteilungsregelungen Verfassungsbeschwerden erhoben, etwa gegen die Deckelung der Gesamtvergütung in den 1990er Jahren. Das BVerfG hat die wesentlichen Elemente des Systems jedoch bestätigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.08.2004 – 1 BvR 378/00, und andere).

Gleichbehandlung und Willkürverbot:

Verfassungsrechtlich relevant ist auch Art. 3 GG (Gleichheitssatz). Honorarregelungen dürfen nicht bestimmte Arztgruppen ungleich ohne sachlichen Grund benachteiligen. Im Kontext IGeL-Quotierung heißt das: Wenn eine KV Steuerungsmaßnahmen erlässt, müssen diese folgerichtig und fair angewandt werden (z.B. alle Ärzte in gleicher Situation gleich behandeln). Eine willkürliche Schlechterstellung etwa von Praxisneugründern ohne sachlichen Grund könnte angreifbar sein. Das BVerfG hat in anderen Zusammenhängen Altersgrenzen oder Zulassungsbeschränkungen geprüft und die Zulässigkeit an einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung gemessen (BVerfG, Beschluss vom 20.03.2001 – 1 BvR 491/96 zur Altersgrenze) – diese Grundsätze (Sachlichkeit, Verhältnismäßigkeit) gelten auch hier.


Praktische Tipps und Tricks für Ärzte (IGeL nach Praxisübernahme)

KV-Regelungen kennen: Informieren Sie sich frühzeitig über die Honorarverteilungsregelungen Ihrer zuständigen KV. Speziell die Abschnitte zu RLV, QZV und freien Leistungen im HVM sind wichtig. Fragen Sie nach, ob es Quoten oder Deckelungen für extrabudgetäre Leistungen gibt, insbesondere für Praxisneulinge. So können Sie Ihre Umsatzplanung realistischer gestalten. Beachten Sie eventuelle Aufbauphasen-Regelungen: Einige KVen gewähren neuen Praxen erhöhte Budgets oder Ausnahmen in den ersten Quartalen – nutzen Sie dies, um Ihre Praxis anlaufen zu lassen.
IGeL Leistungen als Praxisnachfolger

IGeL-Angebot strategisch planen:
Überlegen Sie, welche IGeL-Leistungen in Ihr Fachgebiet und Ihr Praxiskonzept passen. Wählen Sie Leistungen, die Sie fachlich beherrschen und die einen echten Mehrwert für Patienten bieten. Prüfen Sie, ob eine Leistung nicht doch unter bestimmten Voraussetzungen Kassenleistung sein könnte (z.B. bestimmte Vorsorgeuntersuchungen ab einem Alter oder mit Risikofaktoren). Vermeiden Sie unbedingt, GKV-Leistungen als IGeL anzubieten – das wäre unzulässig und kann zu Honorarregressen und berufsrechtlichen Verfahren führen. Im Zweifel holen Sie Informationen beim Fachverband oder der Ärztekammer ein, wenn unklar ist, ob etwas GKV- oder IGeL-Leistung ist.

Patientenaufklärung und Dokumentation:
Entwickeln Sie für jedes IGeL-Angebot einen standardisierten Aufklärungsprozess. Nutzen Sie Merkblätter oder Informationsbögen, in denen Zweck, Ablauf, Nutzen und Risiken der Leistung verständlich beschrieben sind. Führen Sie mit dem Patienten ein Gespräch, klären Sie Fragen und stellen Sie sicher, dass kein Zwang entsteht. Lassen Sie den Patienten einen schriftlichen IGeL-Vertrag unterschreiben, bevor Sie die Leistung erbringen. In diesem Vertrag sollten Sie ausdrücklich festhalten, dass der Patient die Behandlung auf eigenen Wunsch und eigene Kosten erhält. Ein sorgfältig dokumentierter Aufklärungs- und Vertragsprozess schützt Sie im Streitfall und erhöht die Transparenz.

Kostentransparenz und korrekte Abrechnung:
Nennen Sie dem Patienten vorab die voraussichtlichen Kosten der IGeL-Leistung. Am besten geben Sie einen schriftlichen Kostenvoranschlag oder zumindest eine Größenordnung an. Erklären Sie, dass keine Erstattung durch die Krankenkasse erfolgt und der Betrag privat nach GOÄ in Rechnung gestellt wird. Rechnen Sie dann konsequent gemäß GOÄ ab. Nutzen Sie die korrekte Gebührenziffer und passen Sie den Steigerungsfaktor im zulässigen Rahmen an, falls medizinisch begründet (für umfangreichere Leistungen oder erhöhten Zeitaufwand). Keine Pauschalpreise! Jede Rechnung muss GOÄ-konform sein, d.h. die Leistung nach Gebührennummer und ggf. Analogziffer ausweisen und den Faktor angeben.
Fehlerfreie Abrechnung vermeidet Ärger mit Patienten und ggf. Rückforderungen.

IGeL Marketing mit Augenmaß:
Wenn Sie IGeL-Leistungen anbieten, dürfen Sie dies selbstverständlich Ihren Patienten mitteilen – zum Beispiel durch einen Aushang in der Praxis oder auf Ihrer Homepage, wo Ihre Leistungen aufgelistet sind. Achten Sie aber auf werberechtliche Grenzen: Werbung für IGeL muss sachlich richtig und darf nicht irreführend sein. Übertreibungen à la „Diese Behandlung wird Ihnen garantiert helfen“ oder Druck („Nur jetzt verfügbar“ etc.) sind zu unterlassen. Die Landesärztekammern haben Richtlinien, die berufswidrige Werbung definieren. Halten Sie sich an eine seriöse Kommunikation: Stellen Sie den gesundheitlichen Nutzen in den Vordergrund, aber räumen Sie ehrlich ein, wenn der Nutzen wissenschaftlich umstritten ist (viele IGeL sind medizinisch nicht eindeutig belegt – der IGeL-Monitor des MDS bewertet z.B. regelmäßig solche Leistungen kritisch). Eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung sollte immer vor kurzfristigem Profit stehen.

Finanzielle Kalkulation:
Berücksichtigen Sie bei der Praxisübernahme, dass IGeL-Einnahmen zwar verlockend sein können, aber nicht garantiert und Schwankungen unterliegen. Machen Sie einen Business-Plan, in dem Sie konservativ schätzen, welchen Anteil Ihres Umsatzes Sie realistisch mit IGeL erzielen können. Planen Sie Ihre Praxis so, dass sie auch mit den garantierten Kassenhonoraren rentabel ist. IGeL sollten eher als Zusatzangebot und Zusatzverdienst gesehen werden, nicht als tragende Säule Ihres Einkommens – zumal Quotierungen oder Änderungen der Rechtslage möglich sind. Bleiben Sie zudem auf dem Laufenden über neue GKV-Leistungen: Was heute IGeL ist, kann morgen Kassenleistung sein (und dann wegfallen als Selbstzahler-Einnahme).

Rechtliche Beratung nutzen:
Bei komplexen Fragen – etwa ob eine geplante Leistung als IGeL zulässig ist, wie ein bestimmtes Honorarbescheid zu verstehen ist, oder wenn Sie einen KV-Bescheid über gekürzte Vergütung erhalten – zögern Sie nicht, fachkundigen Rat einzuholen. Das kann über Ihre Ärztekammer erfolgen (manche bieten Beratung zu Berufsrecht/IGeL an) oder über einen im Medizinrecht versierten Rechtsanwalt. Gerade im Übergang nach einer Praxisübernahme können unerwartete Fallstricke auftreten (z.B. Nachwirkungen des RLV des Vorgängers, Plausibilitätsprüfungen, Abrechnungsprüfungen). Eine frühzeitige Beratung kann helfen, kostspielige Fehler oder Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.


Fazit: IGeL Leistungen als Praxisnachfolger
IGeL-Leistungen nach einer Praxisübernahme bieten Chancen für Patienten und Ärzte, werfen aber rechtliche Fragen auf. Sozialrechtlich ist durch die RLV- und Honorarverteilungssystematik sichergestellt, dass extrabudgetäre Leistungen nicht ungezügelt zulasten der Solidargemeinschaft ausufern dürfen – notfalls durch Quotierungen. Für Ärzte heißt das: Man kann auch in einer neuen Praxis nicht einfach unbegrenzt „freie Leistungen“ abrechnen, sondern muss die Spielregeln der KV kennen. Berufsrechtlich ist das Anbieten von IGeL eng an Transparenz, Freiwilligkeit und medizinische Sinnhaftigkeit geknüpft. Wer sich an die Vorgaben hält – schriftliche Verträge, GOÄ-Abrechnung, sachliche Aufklärung – bewegt sich auf sicherem Terrain und kann das Vertrauensverhältnis zum Patienten erhalten. Verfassungsrechtlich ist klargestellt, dass Honorarbeschränkungen im Grundsatz zulässig sind und Vertragsärzte keinen Anspruch auf volle Honorierung aller Leistungen haben, solange kein Extremfall vorliegt.

Ob das BSG letztlich allen Argumenten des LSG Baden-Württemberg folgt oder bestimmte Quotierungsregeln präzisiert hat, ist für die tägliche Praxis weniger entscheidend als die Grundaussage: Praxisübernehmer sollten IGeL zwar als sinnvolle Ergänzung nutzen, aber stets im Rahmen der geltenden Regeln. Mit Augenmaß, rechtlicher Sorgfalt und patientenorientiertem Vorgehen lassen sich IGeL-Angebote erfolgreich und rechtssicher in eine neue Praxis integrieren. So kann der Übergang in die Niederlassung wirtschaftlich gelingen, ohne dass man in rechtliche Fallstricke tappt – zur Zufriedenheit von Arzt und Patienten. 
Quellen: Die obigen Ausführungen stützen sich auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 25.05.2015, Auszüge aus sozialgerichtlichen Urteilen, Vorgaben der Bundesärztekammer sowie auf die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG.

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Dr. Thorsten Quiel
25.05.2025

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