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Praxisübernahme - Kaufpreis und Praxiswert

Juristische und steuerrechtliche Rahmenbedingungen bei der Praxisübernahme

Die ärztliche Praxisübergabe erfordert eine penible, juristisch fundierte Dokumentation und eine strukturierte Vorgehensweise, um Haftungsrisiken zu minimieren und den Fortbestand einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung zu sichern. Zentrale Elemente sind hierbei die Erfüllung aller berufs-, datenschutz- und zivilrechtlichen Dokumentationspflichten, die datenschutzgerechte Handhabung von Patientenakten (z. B. nach den Münchener Empfehlungen) sowie eine klare Risikoverteilung im Praxisübernahmevertrag und eine angepasste Versicherungsdeckung. Nur so können sowohl übergebende als auch übernehmende Ärzte ihre Rechte und Pflichten im Rahmen der Praxisübergabe rechtssicher wahren.
Praxisübernahme Kaufpreis und Praxiswert
Juristische und steuerrechtliche Rahmenbedingungen bei der Praxisübernahme


Abgrenzung: Praxiswert vs. Unternehmenswert

Praxiswert (Goodwill):
Der Begriff „Praxiswert“ umfasst einerseits den sogenannten Goodwill (immaterieller Unternehmenswert), der sich aus dem vorhandenen Patientenstamm, dem Ruf („Praxis-Branding“), dem Praxisimage, etablierten Arbeitsabläufen und der Zugehörigkeit zu Kassenärztlichen Vereinigungen ableitet. Dieser Goodwill basiert geleitet auf künftigen (erwarteten) Erträgen, die über die tatsächlich bilanziell ausgewiesenen Vermögensgegenstände hinausgehen.

Materielle Vermögenswerte:
Hierzu zählen Einrichtungsgegenstände (Möbel, Behandlungsliegen, technische Geräte wie Ultraschall-, Röntgen- oder EKG-Apparate), ggf. Immobilienanteile (sofern Praxisräume im Eigentum des Vorgängers stehen) sowie Lagerbestände (z. B. Verbrauchsmaterialien, Arzneimittel). Diese werden häufig nach dem Zeitwert (Restbuchwert bei Anlagenspiegel) oder dem Sachwert (Wiederbeschaffungswert abzüglich Alterswertminderung) bewertet.


Unternehmenswert (Value in Use) vs. Substanzwert

Beim Unternehmenswert (bzw. Ertragswert) stehen die künftigen Überschüsse der Praxis im Vordergrund, die auf Dauer höhere als die reine Substanzwerte oder reinen Anlagewerte geschätzt werden. Dieser wird häufig nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren (§ 199 Abs. 1 BewG i.V.m. IDW S1) oder einem modifizierten Multiplikatorverfahren berechnet.
Unternehmenswert und Ertragswert bei der Praxisübernahme
Substanzwert: Als Gegenstück zum Ertragswert legt das Substanzwertverfahren den Fokus auf die reinen Sachwerte (materielle Werte) und nennt als Berechnungsgrundlage Summen aller Vermögensgegenstände abzüglich Verbindlichkeiten. Für eine freiberufliche Arztpraxis ist dieser Ansatz allerdings selten ausschlaggebend, da der Hauptwert im immateriellen Kundenstamm („ärztlicher Goodwill“) liegt.


Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Praixsübernahme

Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB):
Nach § 433 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Verkäufer, dem Käufer die Sache (hier: Praxis) zu übergeben und das Eigentum daran zu verschaffen; der Käufer ist zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.

Vertragsparteien:
– Verkäufer: Bislang niedergelassener Arzt (Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis).
– Käufer: Ärztliche Nachfolge (Einzelkauf, Sozietät, Berufsausübungsgemeinschaft).

Sachmängel (§ 434 BGB) und Gewährleistung (§§ 437, 438 BGB):
Die ordnungsgemäße Übertragung sämtlicher Praxisinfrastruktur und -unterlagen – darunter frei von versteckten Mängeln (z. B. nicht funktionstüchtige Geräte, unvollständige Patientenakten) – ist zwingend. Etwaige Mängel können Gewährleistungsansprüche begründen. Die regelmäßige Gewährleistungsfrist für bewegliche Sachen beträgt gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwei Jahre ab Übergabe. Bei gewerblichem Verkauf (Arztpraxis wird regelmäßig wie ein gewerblicher Sachkauf betrachtet) sind Sachmängelrechte zwingend, eine Beschränkung oder Ausschluss ist nur in engen Grenzen möglich (§ 476 Abs. 1 S. 2 BGB).

Kaufpreisanpassungen (z. B. Earn-Out, Rückgewähr, Nachgewähr):
– § 158 Abs. 1 BGB (Aufschiebende Bedingungen): Vereinbarungen, bei denen der Kaufpreis ganz oder teilweise von späteren Ereignissen abhängt (Earn-Out, Umsatz- bzw. Gewinnstaffelungen).
– § 320 BGB (Einrede des nicht erfüllten Vertrags): Der Käufer kann die Kaufpreiszahlung zurückhalten, solange der Verkäufer nicht alle vertraglich geschuldeten Praxisbestandteile übergeben hat.

Betriebsübergang (§ 613a BGB):
Zellen und Angestellte (Medizinische Fachangestellte, Praxismanager etc.), die bei der Praxis angestellt sind, gehen beim Praxisübergang kraft Gesetzes auf den neuen Praxisinhaber über. Alle bestehenden Arbeitsverträge bleiben unter gleichen Bedingungen bestehen (§ 613a Abs. 1 BGB). Eine Kündigung durch den Arbeitgeber (bzw. den neuen Inhaber) ist nur unter den allgemeinen kündigungsrechtlichen Voraussetzungen zulässig; § 613a Abs. 4 BGB verbietet die Kündigung aus Gründen des Übergangs selbst („Übergangsverbot“).


Berufsrechtliche Vorgaben bei der Praxisübernahme

Berufsrechtliche Vorgaben bei der Praxisübernahme
Muster-Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) und Landesärzteordnungen:
– § 10 MBO-Ä (Dokumentationspflicht): Ärzte müssen alle wesentlichen Maßnahmen dokumentieren, um die Qualität der Patientenversorgung sicherzustellen.
– § 12 MBO-Ä (Praxisübergabe): In einigen Landesärztekammern (z. B. Bayern, Nordrhein) gibt es ergänzende Vorgaben, wonach die Prüfung der Praxisausstattung (z. B. Hygienestandards, medizinische Gerätezulassungen) im Rahmen einer Praxisübernahme möglich ist.
Zulassungsrecht (Sitzwahl, Vertragsarztsitz, Genehmigungsverfahren):
– Eine bestehende Zulassung nach § 95 Abs. 1 SGB V (Vertragsarztzulassung) kann unter bestimmten Voraussetzungen (Zuweisung nach Fachgruppe, Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung) übertragen oder eingebracht werden (§ 105 Abs. 3 SGB V).
– In Gebieten mit gesperrter Zulassung (z. B. überversorgte Regionen) ist eine sog. „Zulassungserweiterung“ oder Praxisübernahme nur möglich, wenn der Übergeber tatsächlich ausscheidet (§ 101 Abs. 2 SGB V).
– Genehmigungspflichtige „Praxisräume“ (§ 95 Abs. 4 SGB V): Die vertragsärztliche Versorgung darf nur in Räumlichkeiten erfolgen, die baulich und technisch den Vorgaben der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KZV) entsprechen (z. B. barrierefreie Therapieflächen, entsprechende Lagerung für Arzneimittel).


Steuerrechtliche Rahmenbedingungen

Ärzte als Freiberufler (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG):
Die Tätigkeit eines Arztes ist freiberuflich und damit keine gewerbliche Tätigkeit. Dies hat zur Folge, dass keine Gewerbesteuer anfällt (§ 2 GewStG). Die Praxisübernahme gilt als Übertragung eines Teilwertgeschäfts (§ 16 Abs. 3 EStG), das nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes erfasst wird.

Einlage der Praxis in das Betriebsvermögen (§ 4 Abs. 1 EStG):
Der Käufer legt die erworbene Praxis in sein Betriebsvermögen ein. Dabei sind die einzelnen Anlagengüter (z. B. Behandlungsgeräte, Mobiliar) mit den jeweiligen Zeitwerten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der immaterielle Teilwert (Goodwill) kann gemäß § 7 Abs. 1 EStG über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (häufig 15 Jahre) linear abgeschrieben werden.

Ertragswertverfahren und steuerliche Bewertung (§ 198 ff. BewG):
Für Schenkungs- und Erbschaftsteuerzwecke (nicht primär bei Erwerb) wird der Praxiswert häufig nach dem Ertragswertverfahren bestimmt (§ 199 Abs. 1 BewG). Dieser dient aber im Rahmen der Ertragswertberechnung auch als Orientierung für die Kaufpreisbildung, da er die nachhaltig erzielbaren Überschüsse widerspiegelt.

Umsatzsteuerliche Behandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG):
Die Übertragung einer freiberuflichen Arztpraxis ist qua § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG von der Umsatzsteuer befreit, sofern es sich um die Übertragung eines Gesamtbetriebs oder Teilbetriebs handelt („Praxis als Ganzes“). Der Kaufvertrag sollte daher explizit regeln, dass die Praxis als GOz gewerblicher Geschäftsbetrieb („GoCG“) oder als selbständige freiberufliche Einheit übergeben wird.

Abschreibung des Goodwills (§ 7 Abs. 1 EStG):
Immaterielle Wirtschaftsgüter (z. B. Patientenstamm, Ärmelgoodwill) werden mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer abgeschrieben.


Methoden zur Ermittlung des Praxiswerts

Die genaue Bestimmung des Praxiswerts ist eine wesentliche Basis für die Kaufpreisverhandlungen. Drei gängige Verfahren haben sich etabliert:


Ertragswertverfahren (Discounted Cashflow)

Ertragswertverfahren Discounted Cashflow bei der Praxisübernahme
Der Praxiswert wird aus den erwarteten künftigen Überschüssen (Gewinnen) abzüglich eines kalkulierten Kapitalisierungszinssatzes ermittelt. Üblicherweise wird dabei ein mehrstufiges Verfahren nach den Maßgaben des § 199 BewG angewandt. Zwar regelt das Bewertungsgesetz (BewG) in erster Linie Steuerbewertungen (§ 199 ff. BewG), doch haben sich die dort niedergelegten Ertragswertprinzipien auch als Branchengoldstandard bei Praxisbewertungen durchgesetzt. Für Kaufpreisverhandlungen ist eine bilaterale Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer verbindlich.


Multiplikatorverfahren (K2-Verfahren)

Grundidee: Anstelle einer reinen Ertragswertberechnung wird der Jahresumsatz oder Jahresüberschuss mit einem branchenüblichen Multiplikator (z. B. 0,5–1,5 facher Jahresumsatz bzw. 2–4 facher Jahresüberschuss) multipliziert. Dabei gilt:

Jahresumsatz (Umsatzmultiplikator): Häufig 0,2–0,6× Umsatz (je nach Fachrichtung: hausärztliche Praxis niedriger, Chirurgie/HNO praxis höher).
Jahresüberschuss (Erfolgsmultiplikator): 2–4× Jahresüberschuss (nach-neutraler Entnahme).

Vor- und Nachteile:
– Vorteil: Einfachere Kalkulation, geringere Komplexität im Vergleich zum DCF.
– Nachteil: Weniger genau, da künftige Entwicklungen (z. B. Überalterung der Patientenschaft) und Kostenstruktur nicht detailliert berücksichtigt werden.


Substanzwertverfahren

Grundidee: Addition der Einzelwerte aller materiellen Vermögensgegenstände abzüglich Verbindlichkeiten. Goodwill bleibt (teilweise) unberücksichtigt oder wird pauschal bewertet. Beispiele:

- Zeitwertbestimmung: Restbuchwerte medizinischer Geräte (vgl. AfA-Tabellen).
- Sachwertabschläge: Wertminderung je Gerät durch Alter, Abnutzung.
- Immobilienteil: Bei Praxisräumen im Eigentum des Praxisverkäufers ist der Verkehrswert (z. B. durch Gutachter gemäß IV-Richtlinie) anzusetzen.

Das Substanzwertverfahren spielt bei der reinen Liquidations- bzw. Insolvenzbewertung eine Rolle und weniger bei der normalen Kaufpreisermittlung. Lediglich ergänzend, um einen Mindestwert („Restwert-Prinzip“) festzulegen, der nicht unterschritten werden sollte.


Zusammenfassung Kaufpreis und Praxiswert

Die Praxisübernahme in Deutschland stellt ein komplexes Unterfangen dar, das sowohl medizinische, betriebswirtschaftliche als auch vielfältige rechtliche Fragestellungen vereint. Insbesondere Kaufpreis und Praxiswert müssen auf einer gesicherten objektiven Grundlage (Ertragswert, Multiplikator, Sachwert) beruhen und sämtliche rechtlichen Rahmenbedingungen aus Zivil-, Berufs- und Steuerrecht berücksichtigen. Folgende Kernpunkte sind dabei essentiell:
Praxiswertermittlung bei der Praxisuebernahme
1. Praxiswert-Ermittlung:
– Kombination aus Ertragswertverfahren (Erwartungswert künftiger Überschüsse), Multiplikatorverfahren (Umsatz-/Gewinn-Multiplikator) und Substanzwert (materielle Anlagevermögen).

2. Rechtliche Rahmenbedingungen:
– Kaufvertrag nach §§ 433 ff. BGB (Sachmängelhaftung, Gewährleistung).
– Betriebsübergang und Mitarbeiterübernahme nach § 613a BGB.
– Muster-Berufsordnung (Dokumentationspflicht) und Zulassungsrecht nach §§ 95 ff. SGB V.
– Datenschutz (DSGVO, Schweigepflicht § 203 StGB).

3. Steuerliche Beachtung:
– Ärzte sind Freiberufler (§ 18 EStG) – keine Gewerbesteuer.
– Abschreibung des Goodwills (§ 7 EStG), Aktivierung zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
– Umsatzsteuerbefreiung (§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG) bei Übertragung als GOz gewerblicher Geschäftsbetrieb.

4. Finanzierung und Sicherheit:
– Fremdfinanzierung (Bankdarlehen, KfW-Förderung), Verkäuferdarlehen und Earn-Out-Klauseln (§ 158 BGB).
– Sicherungsmechanismen: Bankbürgschaft, Treuhandkonten, Freistellungsklauseln, Garantieversicherungen.

5. Vertragsgestaltung und Haftungsschutz:
– Klare Regelungen zu Kaufpreisfälligkeit, Übergabetermin, Gewährleistung, Freistellungen (Hold Harmless).
– Rücktrittsrechte (§ 323 BGB), Zahlungsrückbehalt (§ 320 BGB), Verzugsklauseln (§ 286 BGB).
– Sorgfältige Dokumentation (Inventar, Patientenakte, Zulassungsunterlagen, Mitarbeiterlisten).

Fazit für die Praxisübernahme
Eine sorgfältige Planung, Erstellung aussagekräftiger Gutachten, rechtliche Beratung durch Fachanwälte (Medizinrecht und Steuerrecht) sowie eine transparente Kommunikation zwischen Übergeber und Übernehmer sind die entscheidenden Faktoren, um eine risikominimierte und zukunftsfähige Praxisübernahme erfolgreich durchzuführen.


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Dipl.-Kfm. Frank Boos
10.02.2015

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