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Tipps und Tricks bei der Praxisübergabe

Herausforderung der Praxisnachfolge und Zulassungsübertragung

Die Übernahme einer Arztpraxis stellt Ärzte vor rechtliche und organisatorische Hürden. Insbesondere in gesperrten Planungsbereichen (Überversorgung) ist die Vertragsarztzulassung – also die Berechtigung, Kassenpatienten zu behandeln – streng reglementiert. Eine unmittelbare Übertragung eines vollen Vertragsarztsitzes vom scheidenden Praxisinhaber (Seniorarzt) auf einen Nachfolger (Juniorarzt) ist oft schwierig, da Zulassungsausschüsse Nachbesetzungen in überversorgten Gebieten ablehnen können. Hier setzt das Zwei-Schritt-Modell an: Die Zulassung wird in zwei Schritten (hälftig) vom Senior an den Junior übertragen. Dieses gestufte Vorgehen ermöglicht einen gleitenden Übergang und sichert die Versorgung der Patienten, während alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.


Vertragsarztzulassung und Nachbesetzungsverfahren gemäß SGB V

Die rechtliche Grundlage für Praxisnachfolgen in gesperrten Gebieten bildet §103 SGB V. Endet eine Zulassung (etwa durch Verzicht oder Ruhestand) in einem gesperrten Planungsbereich, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Ziel des Verfahrens ist die Ausschreibung des Praxissitzes, um einen geeigneten Nachfolger zu finden. Allerdings darf der Ausschuss den Antrag auf Nachbesetzung ablehnen, wenn aus Versorgungsgründen keine Neubesetzung erforderlich ist. In überversorgten Regionen droht also prinzipiell der Wegfall des Arztsitzes. Für diesen Fall sieht das Gesetz einen finanziellen Ausgleich zugunsten des abgebenden Arztes vor (Entschädigung in Höhe des Praxiswertes), was jedoch weder für den Praxisinhaber noch für die Versorgung der Patienten ideal ist.

Tipps und Tricks bei der Praxisübergabe
Praxisnachfolge und Zulassungsübertragung
Um eine Nachbesetzung rechtssicher zu ermöglichen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. §95 SGB V regelt, dass Vertragsärzte ihre Tätigkeit auch in Teilzeit ausüben können. Eine Teilzulassung (hälftiger Versorgungsauftrag) ist als Mindestgröße vorgesehen – ein Viertelzulassung alleine ist nicht zulässig. Praktisch bedeutet dies, dass ein Praxisinhaber seinen vollen Versorgungsauftrag auf 50% reduzieren kann, um die andere Hälfte der Zulassung im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens auszuschreiben.
Dieser vom Gesetzgeber geschaffene Mechanismus erlaubt es, einen neuen Kollegen aufzunehmen, ohne sofort den ganzen Sitz aufzugeben. Die gemeinsame Tätigkeit kann in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) erfolgen, wobei beide Ärzte jeweils mit halbem Versorgungsauftrag tätig sind. Die Teilzulassung teilt die üblichen Pflichten entsprechend auf: Bei hälftiger Zulassung sind z.B. mindestens 10 statt 20 Stunden Sprechzeit pro Woche anzubieten, und Dienste werden anteilig wahrgenommen.


Zwei-Schritt-Modell: Hälftige Übertragung der Zulassung

Im ersten Schritt verzichtet der Seniorarzt auf die Hälfte seiner Zulassung. Dieser hälftige Verzicht wird dem Zulassungsausschuss angezeigt und löst – analog zum vollständigen Praxisverzicht – ein Nachbesetzungsverfahren für die frei gewordene Zulassungshälfte aus. Wichtig: Der Senior führt seine Praxis mit dem verbleibenden halben Versorgungsauftrag fort, während die andere Hälfte der Praxiszulassung offiziell ausgeschrieben wird. Über die Ausschreibung bewirbt sich der gewünschte Nachfolger (Juniorarzt). Sofern keine Versagungsgründe vorliegen, erhält der Juniorarzt die Zuschlag für die halbe Zulassung und wird als hälftiger Vertragsarzt zugelassen. Senior und Junior praktizieren dann gemeinsam, in der Regel in Form einer BAG, wobei jeder einen eigenen (halben) Vertragsarztsitz innehat. Für Patienten und Praxisabläufe bedeutet dies einen fließenden Übergang: Der Junior kann langsam in die Betreuung der Stammpatienten hineinwachsen, während der Senior schrittweise seine Arbeitszeit reduziert.

Vertragsarztzulassung und Nachbesetzungsverfahren
Nach einer vereinbarten Übergangszeit folgt der zweite Schritt: der Seniorarzt verzichtet nun auf die restliche Hälfte seiner Zulassung und beendet seine vertragsärztliche Tätigkeit vollständig. Auch dieser Halb-Verzicht wird dem Zulassungsausschuss gemeldet und es wird erneut ein Nachbesetzungsverfahren erforderlich. Da der Juniorarzt bereits in der Praxis tätig und eingearbeitet ist, liegt es nahe, dass er auch die verbleibende hälftige Zulassung übernimmt und so zum vollen Praxisinhaber wird.
Rechtlich wird hierzu entweder die zweite Hälfte ausgeschrieben und vom Junior – gegebenenfalls im Wettbewerb mit anderen Bewerbern – erworben, oder es erfolgt eine Zusammenführung beider Hälften. Letzteres kann etwa durch formale Zusammenlegung der Versorgungsaufträge passieren, sodass der Juniorarzt am Ende einen vollen Vertragsarztsitz hat. In jedem Fall ist die Übernahme der zweiten Hälfte erneut vom Zulassungsausschuss zu genehmigen. Das Zwei-Schritt-Modell hat mehrere Vorteile: Es verteilt die wirtschaftliche Belastung (Praxisübernahmepreis) auf zwei Zeitpunkte, was für den Nachfolger finanziell oft besser zu stemmen ist. Gleichzeitig bleibt die Versorgung stabil, da der Senior nicht abrupt wegfällt, sondern die Patienten sukzessive an den Junior übergehen. Auch für den abgebenden Arzt bietet das Modell Vorteile – er kann sein Lebenswerk geordnet übergeben und ggf. noch für einen definierten Zeitraum mit reduziertem Pensum weiterarbeiten (und Einkommen erzielen). Wichtig ist jedoch eine sorgfältige vertragliche Gestaltung der Übergangs-BAG zwischen Senior und Junior, um Rechte und Pflichten (Gewinnverteilung, Entscheidungsbefugnisse, Dauer der Zusammenarbeit etc.) klar zu regeln.


Nachbesetzungsverfahren und privilegierter Wunschnachfolger

Im gesperrten Planungsbereich schreibt die Kassenärztliche Vereinigung den halben Sitz offiziell aus. Grundsätzlich können sich alle Ärzte bewerben, die im Arztregister eingetragen sind und die Voraussetzungen erfüllen. Allerdings räumt das Gesetz bestimmten Bewerbern besondere Privilegien ein, sodass diese bei der Nachfolgewahl bevorzugt berücksichtigt werden müssen. § 103 Abs. 4 S.5 SGB V nennt folgende privilegierte Kriterien bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers:
Nachbesetzungsverfahren und privilegierter Wunschnachfolger
  • Tätigkeit in unterversorgtem Gebiet: Bewerber, die mindestens fünf Jahre als Vertragsarzt in einem vom Landesausschuss offiziell als unterversorgt festgestellten Gebiet gearbeitet haben. Diese Ärzte sollen belohnt werden, indem sie bei Bewerbungen um Praxissitze in attraktiveren (überversorgten) Regionen Vorrang erhalten.
  • Angehörige des abgebenden Arztes: Bewerber, die Ehegatte, Lebenspartner oder Kind des bisherigen Vertragsarztes sind. Damit wird einer familieninternen Praxisübergabe ein gewisser Vorrang eingeräumt.
  • Eingearbeiteter Praxispartner oder Angestellter: Bewerber, die bereits als angestellter Arzt in der Praxis des Seniors tätig waren oder als Partner in Gemeinschaft die Praxis betrieben haben. Insbesondere wenn diese Zusammenarbeit mindestens drei Jahre bestanden hat, darf der Zulassungsausschuss ein Nachbesetzungsbegehren in der Regel nicht ablehnen. Dieser Punkt ist für das Zwei-Schritt-Modell zentral: Hat der Junior bereits eine Weile mit dem Senior in der Praxis (sei es als angestellter Arzt oder hälftiger Partner) zusammengearbeitet, sichert ihm das einen festen Anspruch, die Nachfolge anzutreten. Das Gesetz schreibt vor, dass in solchen Fällen die Nachbesetzung nicht aus Versorgungsgründen verweigert werden darf.
In der Praxis wird der Wunschnachfolger (z.B. der Juniorarzt im Zwei-Schritt-Modell) häufig durch diese Privilegierungsregeln geschützt. Während der Ausschreibung muss er sich zwar formal bewerben, hat aber gegenüber externen Konkurrenten deutliche Vorteile. Entscheidet der Zulassungsausschuss über mehrere Bewerber, fließen die genannten Kriterien in die Auswahlentscheidung ein. Auch die Dauer der Eintragung auf Wartelisten der KV und weitere Aspekte können berücksichtigt werden. 
Zwei-Schritt-Modell  Hälftige Übertragung der KV Zulassung
Der abgebende Arzt kann also durch vorausschauende Planung – etwa indem er den Nachwuchsarzt rechtzeitig als Jobsharing-Partner oder Angestellten aufnimmt – sicherstellen, dass dieser dann als Nachfolger „gesetzt“ ist. Auf diese Weise wird das Risiko minimiert, dass ein fremder Bewerber den Sitz erhält.


Anstellungslösung: Praxisübernahme über ein MVZ und Rückumwandlung

Neben der hälftigen Zulassungsübertragung gibt es eine weitere Gestaltungsmöglichkeit, die insbesondere in überversorgten Regionen attraktiv sein kann: die Anstellungslösung. Hierbei verzichtet der Praxisinhaber zugunsten einer Anstellung nach § 103 Abs. 4a SGB V auf seine Zulassung. Das bedeutet, der Seniorarzt gibt seinen Vertragsarztsitz auf, unter der Voraussetzung, dass die Praxis in Form einer Anstellung weitergeführt wird.

Oft wird hierfür ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) genutzt. Beispiel: Der abgebende Arzt gründet oder schließt sich einem MVZ an, und dieses MVZ übernimmt seinen Vertragsarztsitz. Der Juniorarzt wird dann im MVZ auf der übernommenen Stelle als angestellter Arzt beschäftigt und führt die Praxis in diesem Rahmen fort. Alternativ kann auch ein anderer Vertragsarzt den Sitz übernehmen und den Senior oder Junior anstellen. Die Anstellungslösung hat den Vorteil, dass das Nachbesetzungsverfahren umgangen werden kann – es findet kein offenes Ausschreibungsverfahren statt, da formal kein freier Sitz mehr existiert, sondern die Praxis nahtlos in ein MVZ integriert wird. Der bisherige Vertragsarzt wechselt in ein Angestelltenverhältnis, was ihm ermöglicht, ggf. noch einige Zeit weiterzuarbeiten, jedoch ohne eigene Zulassung.

Wichtig: Die Sozialgerichte haben klargestellt, dass dieser Weg nicht als reines Umgehungsmodell missbraucht werden darf. Konkret hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein Vertragsarzt nach Verzicht zugunsten Anstellung mindestens drei Jahre angestellt tätig sein muss, damit die Nachfolgelösung Bestand hat. Diese Vorgabe soll verhindern, dass ein Arzt seinen Sitz an ein MVZ verkauft und sofort komplett aussteigt – ein Vorgehen, das sonst eine unkontrollierte Sitzverlagerung ermöglichen würde. Praktisch bedeutet das, der Seniorarzt sollte nach seinem Verzicht noch für einige Zeit (z.B. in Teilzeit) im MVZ mitarbeiten, um die Rechtssicherheit der Praxisübernahme zu gewährleisten.
Praxisübernahme über ein MVZ und Rückumwandlung
Nach einiger Zeit stellt sich die Frage der Rückumwandlung in eine Zulassung: Was passiert, wenn der Juniorarzt, der im MVZ angestellt ist, später doch wieder selbständig als Vertragsarzt praktizieren möchte? Hier gibt es die Möglichkeit, die angestellte Arztstelle wieder in einen Vertragsarztsitz umzuwandeln – allerdings wiederum nur im Rahmen der Bedarfsplanung und mit Zustimmung des Zulassungsausschusses. Oft wird dies relevant, wenn das MVZ den angestellten Arzt aus der Einrichtung entlassen will oder der Arzt selbst sich niederlassen möchte.
Eine Rückumwandlung ist zulässig, sofern die Planungsregion nicht weiterhin gesperrt ist oder ein Sondertatbestand greift. Andernfalls müsste erneut ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden. In einigen Fällen kann der angestellte Nachfolger auch erreichen, dass ihm bevorrechtigt eine Zulassung erteilt wird, etwa wenn er durch die langjährige Tätigkeit im MVZ einen ähnlichen Status wie ein privilegierter Nachfolger erlangt hat. Dies ist jedoch ein komplexer Prozess und erfordert juristische Beratung, um die Kontinuität der Versorgung nicht zu gefährden.

Fazit: Sanfte Praxisübergabe
Die Übertragung einer Vertragsarztzulassung in zwei Schritten bietet eine attraktive Lösung für Praxisnachfolger und -abgeber, um den Übergang reibungslos und rechtssicher zu gestalten. Durch die Aufteilung des Versorgungsauftrags auf einen Senior- und einen Juniorarzt lassen sich sowohl gesetzliche Hürden in überversorgten Gebieten überwinden als auch praktische Vorteile im Alltag erzielen. Wichtig ist, die einschlägigen Regelungen des SGB V – insbesondere § 103 (Nachbesetzungsverfahren, privilegierte Nachfolge) und § 95 (Teilzulassungen und Anstellungsmöglichkeiten) – zu beachten und jede Phase der Übergabe sauber vertraglich zu regeln. So bleibt das Lebenswerk einer Praxis erhalten, und der Nachfolger kann Schritt für Schritt in die Verantwortung hineinwachsen.

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RA Rainer Kuhlen
05.03.2025

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