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Befristete Arbeitsverträge Im Rahmen der Praxisübergabe

Wichtige Tipps für befristete Arbeitsverträge

Während vor einer Praxisabgabe meist unbefristete Arbeitsverträge bestehen, greifen neu übernehmende Ärzte heutzutage oft zu befristeten Einstellungen. Insbesondere in der sensiblen Übergangsphase nach einer Praxisübernahme oder bei der Neugründung einer Arztpraxis soll dies Flexibilität schaffen. Wichtig: Bei einer Praxisübernahme handelt es sich in der Regel um einen Betriebsübergang gemäß §?613a BGB. Das heißt, bestehende Arbeitsverhältnisse gehen mit allen Rechten und Pflichten auf den Praxisnachfolger über, und eine Kündigung wegen des Übergangs ist unwirksam. In der Praxis wird jedoch häufig versucht, Personal zunächst befristet weiterzubeschäftigen oder neues Personal befristet einzustellen, um das zukünftige Arbeitsverhältnis „auf Probe“ zu erproben. Dabei sind zahlreiche rechtliche Rahmenbedingungen aus Arbeitsrecht, Berufsrecht, Sozialrecht und sogar Verfassungsrecht zu beachten, damit keine unbefristeten Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes oder andere unerwünschte Folgen entstehen.

Befristete Arbeitsverträge nach der Praxisübergabe
Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist eine kalendermäßige Befristung ohne Sachgrund bis zu maximal zwei Jahren zulässig, und innerhalb dieses Zeitraums ist höchstens drei Mal eine Verlängerung möglich. Mit Sachgrund (z.?B. Vertretung bei Krankheit oder Elternzeit) sind auch längere Befristungen oder mehrmalige Verlängerungen erlaubt. Der Großteil der befristeten Verträge nach einer Praxisübernahme wird jedoch ohne besonderen Sachgrund abgeschlossen, um dem neuen Inhaber maximale Freiheit zu geben. 


1. Schriftform vor Arbeitsbeginn einhalten:

Ein befristeter Arbeitsvertrag muss schriftlich abgefasst und von beiden Seiten vor Beginn der Arbeitstätigkeit unterzeichnet werden (§?14 Abs.?4 TzBfG). Beginnt der Arbeitnehmer nämlich schon zu arbeiten, bevor der Vertrag schriftlich fixiert und unterschrieben vorliegt, gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Eine nachträgliche Schriftform heilt den Formmangel nicht rückwirkend. Selbst eine mündliche Absprache „befristet“ hilft nicht, wenn die Unterschriften erst später erfolgen. Daher sollte der neue Arzt als Arbeitgeber darauf achten, dass der unterschriebene Vertrag dem Arbeitnehmer vor Arbeitsantritt zugeht – notfalls mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass ohne schriftliche Befristungsvereinbarung kein verbindlicher Vertrag gewollt ist. Tipp: Die elektronische Form mit qualifizierter elektronischer Signatur ist der Papierform gleichgestellt und kann die Schriftform ebenfalls erfüllen (vgl. §126a BGB).


2. Anschlussverbot“ – Vorbeschäftigung vermeiden

Eine sachgrundlose Befristung ist nur zulässig, wenn der Bewerber niemals zuvor in einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber gestanden hat. Früher galt dieses sogenannte Anschlussverbot absolut, ungeachtet der Zeitspanne zwischen den Beschäftigungen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte 2011 diese Regel dahingehend gelockert, dass eine Vorbeschäftigung unbeachtlich sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurücklag (BAG, Urt. v. 06.04.2011, Az. 7 AZR 716/09).

Doch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Rechtsprechung 2018 korrigiert: Die 3-Jahres-Grenze widerspreche der klaren gesetzlichen Konzeption und sei verfassungswidrig. Grundsätzlich bedeutet „nicht zuvor beschäftigt“ jetzt „niemals zuvor“ – außer in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn eine sehr lange zurückliegende oder ganz kurze Aushilfstätigkeit ohne Missbrauchsgefahr vorlag. In der Praxis sollten Ärzte daher sehr sorgfältig prüfen, ob ein Bewerber irgendwann früher schon einmal in der Praxis oder Klinik beschäftigt war.

Tipp: Lassen Sie sich vom neuen Mitarbeiter schriftlich versichern, dass keine Vorbeschäftigung beim Vorgänger oder in der Praxis besteht. Ein früheres Ausbildungsverhältnis beim selben Arbeitgeber zählt im Übrigen nicht als Arbeitsverhältnis im Sinne des §?14 Abs.?2 TzBfG – eine anschließende sachgrundlose Befristung ist dann ausnahmsweise möglich (BAG, Urt. v. 21.09.2011, Az. 7 AZR 375/10).


3. Verlängerungen korrekt handhaben:

Verlängerungen korrekt handhaben: Innerhalb der zulässigen Zwei-Jahres-Frist können Sie einen befristeten Vertrag bis zu drei Mal verlängern. Achtung: Eine Verlängerung im Sinne des Gesetzes liegt nur vor, wenn ausschließlich der Endtermin des Vertrags hinausgeschoben wird. Keine andere Arbeitsbedingung (Arbeitszeit, Gehalt, Tätigkeitsumfang etc.) darf bei dieser Verlängerung geändert werden, da sonst kein Verlängerungsvertrag, sondern ein neuer Arbeitsvertrag vorliegt. Ein neuer Vertrag ohne Sachgrund ist jedoch wegen des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses unzulässig, sodass die Befristung unwirksam wäre.
Praxisangestellte nach Praxisübergabe
Ebenso muss die Verlängerungsvereinbarung unbedingt noch vor Ablauf der aktuellen Befristung getroffen werden – nach dem Enddatum ist eine „Verlängerung“ rechtlich nicht mehr möglich, dann entstünde ebenfalls nur ein neuer Vertrag. Tipp: Möchten Sie zeitgleich mit der Verlängerung eine Vertragsänderung vornehmen (z.?B. Stundenaufstockung oder Gehaltserhöhung), gehen Sie in zwei Schritten vor. Schließen Sie zunächst einen Nachtrag zum bestehenden Vertrag, der die gewünschte Arbeitsbedingung ändert, und vereinbaren Sie in einem zweiten Schritt separat die Verlängerung der Befristung. So vermeiden Sie, dass eine kombinierte Änderung+Verlängerung als Neuabschluss gewertet wird.


4. Achtung beim Befristungsende:

äuft ein befristeter Arbeitsvertrag kalendermäßig aus, endet das Arbeitsverhältnis automatisch mit dem vereinbarten Datum (§ 15 Abs. 1 TzBfG). Vorsicht ist geboten, wenn der Arbeitnehmer danach weiterarbeitet: Gestattet der Arzt als Arbeitgeber stillschweigend eine Weiterbeschäftigung über den Befristungszeitraum hinaus, ohne sofort zu widersprechen, gilt dies als konkludente Verlängerung auf unbestimmte Zeit. Das vormals befristete Arbeitsverhältnis wandelt sich also in ein unbefristetes um (§15 Abs. 5 TzBfG, §625 BGB). Um das zu vermeiden, sollte der Praxisinhaber den Mitarbeiter rechtzeitig darauf hinweisen, dass das Arbeitsverhältnis am vereinbarten Datum endet, und ggf. ausdrücklich widersprechen, falls der Arbeitnehmer dennoch weiterarbeiten will. Bereits die eindeutige Ablehnung eines Verlängerungswunsches vor Ablauf des Vertrags kann verhindern, dass durch „Stillschweigen“ ein unbefristetes Verhältnis entsteht. Im Zweifel sollte der Arbeitnehmer am letzten Tag schriftlich bestätigt werden, dass sein Arbeitsverhältnis nun endet.


5. Ordentliche Kündigungsmöglichkeit vereinbaren:

Praxispersonal bei Praxisübergabe
Ein befristeter Arbeitsvertrag ist grundsätzlich für die vereinbarte Dauer fest – eine ordentliche Kündigung (Kündigung mit Frist) ist gesetzlich ausgeschlossen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde (§15 Abs.3 TzBfG). Beide Seiten können sonst nur außerordentlich aus wichtigem Grund kündigen. Für den Arbeitgeber bedeutet das ein Risiko, falls er sich vor Vertragsende doch trennen möchte (z.B. weil der Angestellte nicht ins Team passt oder wirtschaftliche Schwierigkeiten auftreten).
Daher sollte jeder befristete Vertrag eine Klausel enthalten, dass das Arbeitsverhältnis mit der gesetzlichen/fristgerechten Kündigungsfrist ordentlich gekündigt werden kann. Diese Option kann beidseitig oder einseitig (meist zugunsten des Arbeitgebers) vereinbart werden. Dadurch behalten beide Parteien die nötige Flexibilität, ohne auf den Befristungseffekt zu verzichten. Wichtig: Falls ein Tarifvertrag gilt, prüfen Sie, ob dieser Kündigungen während der Befristung zulässt oder ausschließt (§15 Abs.4 TzBfG).


6. Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nutzen:

Nicht immer muss gleich der ganze Arbeitsvertrag befristet werden. In der Praxis gibt es häufiger Fälle, in denen einzelne Arbeitsbedingungen – etwa Arbeitszeit, Einsatzort, Aufgabengebiet oder Vergütung – nur vorübergehend geändert werden sollen. Solche temporären Änderungen (sogenannte Teilbefristungen) sind grundsätzlich möglich und fallen nicht unter die strengen Voraussetzungen der §§14 ff. TzBfG, da das Arbeitsverhältnis an sich unbefristet fortbesteht. Die Befristung einer einzelnen Vertragsbedingung bedarf keines Sachgrunds. Allerdings unterliegt sie der Inhaltskontrolle nach §307 BGB: Die Regelung muss transparent und verständlich sein und darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Achten Sie also darauf, die befristete Änderung klar zu formulieren (z.B. „Von 1.Juli bis 30.September 2025 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 30 Stunden; ab 1.Oktober 2025 gilt wieder die vertragliche Arbeitszeit von 40 Stunden.“). Natürlich sollte auch eine solche Abrede schriftlich vereinbart und von beiden Seiten unterschrieben werden. Im Ergebnis können befristete Arbeitsbedingungen ein flexibles Instrument sein, um zeitlich begrenzte Anpassungen vorzunehmen, ohne gleich das ganze Arbeitsverhältnis zu befristen.

7. Klage auf Entfristung beachten:
Ist ein befristeter Vertrag ausgelaufen und der Arbeitnehmer hält die Befristung für unwirksam (z.?B. weil kein Sachgrund vorlag oder die Schriftform versäumt wurde), kann er eine sogenannte Entfristungsklage erheben. Dafür gilt eine sehr kurze Frist: Gemäß §17 TzBfG drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrags. Verpasst der Arbeitnehmer diese Frist, kann er die Unwirksamkeit der Befristung nicht mehr gerichtlich geltend machen – das Arbeitsverhältnis gilt dann endgültig als beendet. Als Praxisinhaber können Sie also drei Wochen nach dem letzten Arbeitstag recht sicher sein, dass keine nachträglichen Ansprüche auf Weiterbeschäftigung mehr kommen. Wenn der Arbeitnehmer jedoch fristgerecht klagt, entscheidet das Arbeitsgericht, ob die Befristung wirksam war. In einem solchen Prozess müssten Sie darlegen und beweisen, dass alle Voraussetzungen eingehalten wurden (z.?B. Schriftform, keine Vorbeschäftigung, Sachgrund falls nötig etc.). Praxis-Tipp: Führen Sie von Anfang an sorgfältig Buch über die Befristungsgründe und die Vertragsunterzeichnungen, um im Streitfall gewappnet zu sein. Aber bedenken Sie: Nach drei Wochen ohne Klage ist die Sache in der Regel erledigt.

8. Kein Klageverzicht vereinbar:
Praxismitarbeiter nach Praxisübergabe
Versuchen Sie nicht, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Entfristungsklage vertraglich oder anderweitig zu nehmen. Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Recht, die Wirksamkeit der Befristung gerichtlich überprüfen zu lassen, ist unwirksam – egal ob dieser Verzicht im Arbeitsvertrag selbst steht oder in einer separaten Vereinbarung erklärt wird. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz regelt in §§?14, 17 TzBfG zwingend, unter welchen Voraussetzungen Befristungen zulässig sind und wie gegen unwirksame Befristungen vorgegangen werden kann.
Nach §22 Abs.1 TzBfG darf von diesen Regelungen nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Ein vertraglicher Klageverzicht würde den Arbeitnehmer schlechter stellen, als es das Gesetz vorsieht, und ist damit null und nichtig. Arbeitgeber sollten sich also nicht in falscher Sicherheit wiegen, nur weil der Mitarbeiter „versprochen“ hat, nicht zu klagen – im Ernstfall hält eine solche Abrede vor Gericht nicht stand.

9. Sonderregelungen kennen und nutzen:
Neben dem TzBfG gibt es spezielle gesetzliche Regelungen, die befristete Arbeitsverträge in bestimmten Situationen erleichtern oder zulassen. Diese sind vorrangig zu beachten, da sie den allgemeinen Befristungsregeln vorgehen. Zwei wichtige Beispiele: Elternzeitvertretung und Ärzte in Weiterbildung. Gemäß dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) genießen Mitarbeiter während der Elternzeit besonderen Kündigungsschutz und ein Rückkehrrecht. In der Praxis werden für die Dauer der Elternzeit oft befristete Vertretungen eingestellt – ein klassischer Sachgrund nach §14 Abs.1 TzBfG. Das Befristungsende wird hier an die Rückkehr der in Elternzeit befindlichen Kraft geknüpft. Solche Vertretungsbefristungen sind zeitlich nicht auf zwei Jahre begrenzt, sondern dürfen so lange dauern, wie die abwesende Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter tatsächlich ersetzt werden muss. Als neues Element im Teilzeitrecht wurde zudem Anfang 2019 die „Brückenteilzeit“ eingeführt (§?9a TzBfG): Arbeitnehmer können unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, ihre Arbeitszeit für eine festgelegte Dauer (bis zu 5 Jahre) zu reduzieren und danach wieder aufzustocken – auch dies ist eine befristete Änderung, die der Flexibilisierung dient.

10. Betriebsrat einbinden (falls vorhanden):
In größeren Praxisstrukturen – etwa MVZ oder Kliniken – besteht oft ein Betriebsrat. Man darf nicht übersehen, dass befristete Einstellungen mitbestimmungspflichtig sind. Die erstmalige Befristung eines neuen Mitarbeiters ist eine Einstellung im Sinne von §?99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Aber auch die Entfristung oder Verlängerung eines bestehenden befristeten Vertrags wird als personelle Veränderung gewertet, bei der der Betriebsrat mitzureden hat. Der Betriebsrat kann z.?B. verlangen, dass die Stelle – selbst wenn sie nur befristet besetzt werden soll – zuvor intern oder extern ausgeschrieben wird. Wird der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, kann er die Maßnahme ggf. gerichtlich blockieren. Für Praxisinhaber bedeutet dies: Sofern ein Betriebsrat existiert, frühzeitig informieren und die Zustimmung einholen, bevor man einen befristeten Vertrag abschließt, verlängert oder in ein unbefristetes Verhältnis umwandelt. Damit erspart man sich mögliche Konflikte und Verzögerungen.

Fazit für die Praxis:
Befristete Arbeitsverträge können im Rahmen einer Praxisübernahme ein sinnvolles Instrument sein, um Personal in einer Übergangsphase flexibel einsetzen zu können. Allerdings ist dieses Instrument rechtlich stark reglementiert – Verstöße gegen die Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetzes oder der dazu ergangenen Rechtsprechung (bis hin zu BVerfG-Urteilen) führen schnell dazu, dass der vermeintlich befristete Vertrag doch unbefristet wird oder der Arbeitgeber sich in einem Rechtsstreit wiederfindet.
Befristete Arbeitsverträge beim Praxisverkauf
Die obigen Tipps zeigen, worauf Ärzte als Arbeitgeber besonders achten müssen: Von der strikten Schriftform über das strenge Vorbeschäftigungsverbot bis hin zu Sonderfällen und Fristen. Für die Praxis bedeutet das: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Es lohnt sich, jeden befristeten Vertrag und jede Verlängerung juristisch sauber aufzusetzen – notfalls mit anwaltlicher Hilfe oder Mustervorlagen der Ärztekammer – statt später kostspielige Überraschungen zu erleben. Werden die Regeln beherzigt, bieten befristete Arbeitsverträge dem neuen Praxisinhaber wertvolle Flexibilität, ohne die Rechte der Mitarbeiter übermäßig zu beschneiden. Damit lässt sich der Neustart mit dem „geerbten“ Praxisteam oder neuen Angestellten erfolgreich und rechtssicher gestalten.
Dr. med. Anett Kleinschmidt
17.08.2024

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