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Praxisübernahme und IGeL Angebot

Praxisbörse Magazinartikel über ärztliches Werbeverbot und Werbefreiheit.

Der Grundsatz ist einfach, jeder Arzt darf den Patienten nach der Praxisübernahme sachlich und unaufdringlich über Art und Sinnhaftigkeit von IGeL Leistungen informieren. Der freie Wille des Patienten darf dabei jedoch nicht beeinflusst werden.


Dieser Maßstab des freien Willens ergibt sich bereits aus der Definition individueller Gesundheitsleistung. IGeL Leistungen sind Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, aber dennoch nach der Praxisübergabe von Patienten nachgefragt werden.

Allerdings müssen IGeL Leistungen nach dem Praxiskauf angeboten werden, denn nur wenn der Patient das Angebot kennt, kann er über die Inanspruchnahme entscheiden. Da es Freiberuflern traditionell schwer fällt, für ihre eigenen Leistungen zu werben, besteht eine völlig uneinheitliche Praxis nach dem Praxis kaufen.

Einige Ärzte verzichten auf jede werbende Außendarstellung, andere gehen bis zu einer Grenze, die auch von der Mehrheit der Kollegen nicht mehr mitgetragen wird. Die Ärztekammer hat in der Vergangenheit das ärztliche Werberecht in den Berufsordnungen nur eingeschränkt geregelt.

Es entstand der Eindruck, dass die Äztekammer eher dem Grundsatz eines Werbeverbotes mit geringfügigen Ausnahmen als dem Recht der Werbefreiheit folgten. Entscheiden mussten nach der Praxisabgabe somit letztlich die Gerichte, was dann auch mit kaum zu übertreffender Deutlichkeit geschah.

Das Bundesverfassungsgerichts hat in den letzten Jahren so häufig wie bei keinem anderen freien Beruf festgestellt, dass die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit der Ärzte auch bedeutet, sich und seine Arztpraxis vor dem Praxisverkauf positiv gegenüber den Patienten und der Öffentlichkeit darzustellen.

Vom Werbeverbot zur Werbefreiheit
Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes geht hierbei so weit, dass es kaum vorstellbar ist, welche seriöse Werbemaßnahme Ärzten heute noch untersagt sein sollte. Ein niedergelassener, minimalinvasiv operierender Orthopäde hatte einer Journalistin ein Interview gegeben und den von ihm gegengelesenen Zeitungsartikel ausdrücklich freigegeben. Dort wurde folgendes ausgeführt.

"Oft sind die Patienten bereits im Rollstuhl oder vom Kortison schwer gezeichnet, haben lange Leidenswege hinter sich. Wenn sie dann am Tag nach der OP gesund und munter auf den Beinen stehen, mich glücklich anstrahlen und mit der Assistentin ein Tänzchen wagen, dann sind das bewegende Momente. Wann immer der Pionier für minimalinvasive Eingriff bei einem Wirbelsäulenkongress seine Techniken und seine Erfolge schildert, erntet er von Fachkollegen stehende Ovationen. Der Applaus gilt dem Gesamtkunstwerk zugunsten der Patienten. Er hat genial anmutende Operationsprogramme selbst entwickelt und realisiet  alltägliche Wunder mit feinen Mini-Instrumenten."

Auf die Intervention der Ärztekammer wurde der Orthopäde von den Berufsgerichten zu einer Geldbuße von 10.000 Euro verurteilt, dass Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidungen auf und stellte fest, dass bei der gebotenen grundrechtsfreundlichen Auslegung die Passagen noch als Image und Sympathiewerbung zulässig seien. Ein Arzt müsse sein Bild in der Öffentlichkeit positiv zeichnen dürfen.

Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind zutreffend. Ob der umstrittene Zeitungsartikel jedermanns Geschmack ist und ob es jeder Arzt für richtig hielte, wenn mit einer solchen Diktion über ihn berichtet würde, mag dahingestellt sein. Die Entscheidung steckt aber den Rahmen ab, innerhalb dessen sich die Außendarstellung einer Praxis heute bewegen darf. Bei all dieser Freiheit sollte man aber die Grundlagen nicht aus den Augen verlieren, die das Recht der ärztlichen Außendarstellung prägen.

Die Gesundheit genießt zu Recht als herausragendes Rechtsgut Verfassungsschutz. Daher ist die Information über Gesundheitsleistungen vom Widerstreit zwischen Aufklärungsrecht und Aufklärungspflicht des Arztes einerseits sowie Patientenschutz andererseits geprägt. Im Hinblick auf dieses Spannungsverhältnis zwischen ärztlichem Informationsrecht und freier Entscheidung des Patienten sollte man sich folgendes vergegenwärtigen. Der Arzt hat erheblichen Einfluss auf die Willensentscheidung des Patienten.

Untersuchungen, die der Arzt als medizinisch sinnvoll darstellt, wird der Patient in der Regel auch als für ihn selbst sinnvoll erachten. Er geht zu Recht vom überlegenen Fachwissen des Arztes ausgeht. Der Arzt muss mit dem ihm entgegengebrachten Vertrauen jedoch verantwortungsbewusst umgehen. 

Die Musterberufsordnung für Ärzte umschreibt den zu wahrenden Standard wie folgt. Als sachliche berufsbezogene Information ist all das erlaubt, was einem sachgerechten und angemessenen Informationsbedürfnis des Patienten gerecht wird und einer Kommerzialisierung des Arztberufes keinen Vorschub leistet.

IGeL Angebot in Praxisbroschüren
Schriftliche Patienteninformationen über die Leistungen der Praxis und besondere Tätigkeitsschwerpunkte bieten sich an und sind rechtlich zulässig. Es ist einem Arzt grundsätzlich unbenommen, in angemessener Weise auf seine Leistungen hinzuweisen und ein vorhandenes, an ihn herangetragenes Informationsinteresse zu befriedigen. Die Grenze zwischen zulässiger Information und unzulässiger, anpreisender Reklame wird hierbei durch das so genannte Sachlichkeitsgebot des Arztes gezogen.

Sachliche berufsbezogene Information ist dem Arzt gestattet, berufswidrige Werbung ist dem Arzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Der Arzt darf über Behandlungsmethoden und Behandlungsalternativen informieren, muss sich jedoch der reißerischen Aufmachung enthalten. Stellt der Arzt IGeL Angebote dar, so müssen die dortigen Beschreibungen selbstverständlich sachlich zutreffend und für den Laien verständlich sein. Unverständliche medizinische oder naturwissenschaftliche Ausführungen sind aus der Perspektive des Patienten unsachlich und können anpreisende Wirkung haben.

Hierbei sind auch Elemente der Image oder Sympathiewerbung im Informationsflyer oder auf den Internetseiten der Arztpraxis zulässig, da solche Informationen das auch emotional geprägte Arzt-Patienten-Verhältnis mitbestimmen. Diese dürfen jedoch nicht derart stark überwiegen, dass der sachliche Informationscharakter der Darstellung völlig in den Hintergrund gedrängt wird.

In der Außendarstellung sollte man als Arzt somit auf eine ausgewogene Mischung zwischen emotional ansprechenden Inhalten und sachlichen Fakten achten. Als konservatives Minimum dürfte neben der Erläuterung des Tätigkeitsspektrums deshalb die Nennung der Mitgliedschaft in Fachgesellschaften gelten, wer möchte, kann auch private Interessen, Hobbys oder ähnliches mitteilen. Die Informationsfreiheit bezieht sich auch auf den Hinweis von absolvierten Ärztefortbildungen auf der Praxiswebsite.

Information durch Praxispersonal
Die genannten Möglichkeiten und Grenzen der schriftlichen Information und Werbung gelten in gleicher Weise bei der persönlichen Ansprache des Patienten in der Arztpraxis, wobei der erste Hinweis auf die  individuelle Gesundheitsleitung IGeL häufig durch das Praxispersonal erfolgt. Der Arzt muss kontrollieren, ob die Grundsätze zulässiger Werbung von seinen Mitarbeiterinnen im Praxisalltag eingehalten werden.

Er ist für deren Verhalten verantwortlich, ihm obliegt nicht nur die sachgerechte und zutreffende Einweisung des Personals sondern auch die regelmäßige Kontrolle und Überwachung. Falsche oder gar manipulative Informationen durch die Mitarbeiterinnen exculpieren den Arzt nicht.

In einigen Praxen werden die Mitarbeiterinnen am Umsatz der auf ihre Patientenansprache zurückzuführenden IGeL Leistungen beteiligt. Sie bergen die Gefahr, dass in der täglichen Praxis die Gedanken der ausgewogenen, sachlichen Patienteninformation hinter den wirtschaftlichen Interessen der Mitarbeiterinnen zurück treten.

Dies ist allerdings kein Spezifikum der IGeL Leistungen oder des Unternehmen Arztpraxis. Jeder, der unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit beteiligt ist, muss sich stets vor Augen führen, dass kurzfristiger Gewinn nicht zwingend auch langfristigen Erfolg bedeuten muss. Dem Arzt als Unternehmer ist dies bewusst, er sollte deshalb in regelmäßigen Besprechungen mit seinem Praxisteam die Art der Information über Selbstzahlerleistungen überprüfen.

Dr. jur. Ingo Pflugmacher
19.06.2015

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