Ursprünglich übernahm Dr. Gräfe eine 800 Scheine Arztpraxis, schnell zählte die Praxis 1500 Scheine nach der Praxisübergabe. Allerdings bedeutete das auch eine 80 Stunden Woche in der Arztpraxis und an den Wochenenden zusätzliche Arbeit, berichtete Dr. Gräfe auf dem Jahreskongress des Privatärztlichen Bundesverband.
Die ersten Frustrationsgefühle nach dem Praxis kaufen kamen recht zügig mit den Abrechnungen des kassenärztlichen Vereinigung auf. Zirka 30 % der ärztlichen Leistungen waren lediglich mit einem Restpunktwert von 0,3 Cent vergütet worden. Das Ergebnis spielte trotz des hohen Arbeitsaufwandes gerade mal die Höhe der Betriebskosten ein, erinnert sich Dr. Gräfe. Hinzu kam, dass die kleinen Kinder ihre Mutter kaum zu Gesicht bekamen. Als Alleinverdienerin der Familie bedeuteten die Schwangerschaften außerdem Verdienstausfall und ständige Ungewissheit, wie viel am Quartalsende übrig bleiben wird.
Kinder verursachten betriebliche Störung
Kurzarbeit, so Dr. Gräfe, konnte nach den Geburten des zweiten und dritten Kindes 2006 und 2007 nicht beantragt werden, da die Ursache der betrieblichen Störung selbst mutwillig herbeigeführt worden war. Und die Möglichkeit, einen bezahlbaren Vertreter zu finden? Pustekuchen, sagt Dr. Gräfe. Ein weiterer Schlag ins Gesicht war ein Regress für den Sprechstundenbedarf. Die Pflaster für die Behandlung von Warzen mussten z.B. aus eigener Tasche berappt werden.
Nächste Etappe auf dem Ernüchterungstrip Kassenpraxis. Im Jahr 2007 meldete sich das Finanzamt mit einer kräftigen Steuerforderung, die in dieser Höhe nicht erwartet worden war, nämlich Nachzahlung plus Vorauszahlung. Das Gefühl, dass der eigene hohe Einsatz, sowohl finanziell als auch gesellschaftlich bei negativer Presse gegen Ärzte nicht geschätzt wird, erlebte die Kollegin immer stärker.
Gute Medizin bei kassenärztlicher Versorgung kaum möglich
Zudem verfestigte sich die Erkenntnis, dass gute Medizin GKV Bereich kaum oder gar nicht möglich ist. Also ging Dr. Gräfe in die Offensive und kurbelte IGeL Leistungen an. Die Sprechstundenzeit für die GKV wurde auf das Mindestmaß von 20 Stunden pro Woche zurückgefahren und eine separate Privatsprechstunde eingeführt.
Die Privatabrechnungen stiegen an, die GKV Scheinzahlen gingen zurück, was zu einem kontinuierlich sinkenden Budget bzw. der KV Todesspirale führte. Aufgrund der langen Wartezeiten auf einen Termin wuchs auch die Unzufriedenheit der Kassenpatienten. Ein Schreiben der GKV führte zu weiteren Erkenntnissen. Als Kassenmediziner steht dem Arzt kein kostendeckendes Honorar, sondern nur die adäquate Teilhabe am Gesamthonorar zu, wie Dr. Gräfe nachlesen konnte.
Aggressionen von Kassenpatienten wurden immer mehr
Dr. Gräfe erkannte ferner, dass auch die IGeL Leistungen nach der Praxisübernahme eine Menge Probleme nach sich ziehen können, so z.B. lange Wartezeiten der GKV Versicherten, häufige Umsonstberatungen und lästige KV Stellungnahmen. Weiterhin stellte die Kollegin fest. Die Aggressionen der Patienten gegenüber den Mitarbeiterinnen werden, weil die Kasse wieder dieses oder jenes verweigert hat, immer schlimmer.
Trotz großer Ängste erfolgte die Rückgabe der kassenärztlichen Zulassung
Im Jahr 2010 zog Dr. Gräfe dann trotz großer Ängste den Schlussstrich und gab die KV Zulassung der Arztpraxis zurück. Und das, obwohl sich die Situation denkbar ungünstig darstellte. Praxisstandort in einer Kleinstadt in ländlicher Umgebung mit 25.000 Einwohnern. Drei weitere Fachkollegen am Ort, in lediglich 22 km Entfernung weitere 15 Hautärze, laufende Kredite von etwa 450.000 Euro, Alleinverdienerin in der Familie und eine Praxisgemeinschaft mit anderen Ärzten. Nach Finanzanalysen, Marketingberatung, Patientenbefragung und intensiven Gesprächen mit der Hausbank wagte Dr. Gräfe den Schritt zur KV Praxisabgabe und Umwandlung in eine reine Privatpraxis.
Das Fazit der Praxisbörse nach Umwandlung in eine Privatpraxis
- 99 % der Privat- und 30 % der GKV-Versicherten sind geblieben, viele neue Patienten gewonnen
- Personal behalten, zusätzliche Helferin konnten eingestellt werden
- Deutlich gestiegene Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen
- Praxisablauf: Statt 70 bis 100 nur noch 30 bis 35 Patienten am Tag
- Terminwartezeiten maximal eine Woche
- Ausreichend Zeit für Anamnese und sinnvolle Therapie ohne Regressdruck
- Keine Negativkommunikation mehr
- Ärztliche Qualitäten werden wieder wahrgenommen
- Arbeitszeit 20 Wochenstunden, Zeit für Familie, Sozialkontakte
- Leben ist wieder planbar
- Umsatz: keine Ausfälle, stabil
Der Kassenmedizin trauert Dr. Gräfe seither keinen Augenblick mehr nach. Im Rahmen des Praxiskaufs Privatarzt zu werden sei viel einfacher, als man denkt, so die Kollegin. Wichtig sind eine zuwendungsorientierte Arztpersönlichkeit, IGeL Leistungen, ein breites Spektrum, die frühe Klientelselektion und ein suffizientes Praxismarketingnach der Praxisübergabe. Mehr Tipps zur Umwandlung in eine Pravatpraxis auf unserer Praxisbörsen Ärztefortbildung für neiderlassungswillige Ärzte.