Jeder Arzt schuldet seinem Patienten als vertragliche Nebenpflicht die Dokumentation der ärztlichen Tätigkeit. Dokumentationszweck ist einmal die Therapiesicherung, zum andern die Beweissicherung und die Rechenschaftslegung. Für den Haftungsfall kommt es auch nach einer Praxisabgabe vor allem auf die Beweissicherung des Praxisverkäufers an.
Im Haftungsprozess ist die ärztliche Dokumentation das überragende Beweismittel. Auch nach einer Praxisabgabe wird das Gericht die Frage des behaupteten Behandlungsfehlers nur durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens klären können, und dieses Gutachten wird auf der Grundlage der Behandlungsunterlagen erstattet.
Zwar wird der Gutachter den Patienten oft auch untersuchen wollen. Der Erkenntniswert einer solchen Untersuchung ist aber gering, denn Arzthaftungsprozesse finden wenigstens ein Jahr nach der Behandlung statt, und dann sieht der Gutachter den Patienten nicht mehr in dem Zustand, in welchem er sich vor dem Praxisverkauf bei der Behandlung befand. Auch die Angaben der Beteiligten sind im Regelfall schon wegen des Zeitablaufs nicht mehr zuverlässig.
Dies gilt auch für Zeugen, wie Verwandte des Patienten oder Personal des Arztes. Beim Personal des Arztes ist zudem zu berücksichtigen, dass es tagtäglich mit vielen Patienten in Berührung kommt und dass es sich hierbei ganz überwiegend um Routinekontakte handelt, bei denen niemand daran denkt, sich ein bestimmtes Geschehen so einzuprägen, dass es noch Monate oder Jahre später nach der Praxisabgabe zuverlässig abgerufen werden kann.
Wegen des Charakters als überragendes Beweismittel muss man aber auch gewisse Anforderungen an die ärztliche Dokumentation stellen. Sie muss vor allem vertrauenswürdig sein. Das ist sie nur, wenn sie zum Zeitpunkt der Praxisübergabe vollständig geführt und nicht nachträglich verändert wird.
Im Allgemeinen wird das Gericht dies unterstellen, denn es spricht eine Vermutung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Dokumentation. Wenn allerdings die handschriftlich geführte Dokumentation Manipulationsanzeichen aufweist oder ein Operationsbericht nach dem Praxis verkaufen erst erheblich verspätet verfasst wird, erschüttert dies die genannte Vermutung.
Verletzungen der Dokumentationspflicht führen als solche nicht zur Haftung des Arztes, denn ein Schadensersatzanspruch folgt aus einer falschen Behandlung, nicht aus einer falschen Dokumentation. Wegen der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Dokumentation gilt allerdings der Grundsatz, dass das, was bei der Praxisübergabe nicht dokumentiert wurde, aber dokumentationsbedürftig war, im Zweifel auch nicht gemacht wurde.
Wenn also eine bestimmte Maßnahme indiziert war, ihr Unterlassen ein Behandlungsfehler wäre und die Durchführung der Maßnahme nicht dokumentiert ist, steht der Arzt vor einem erheblichen Problem.
Bei mangelnder Dokumentation ist zunächst einmal davon auszugehen, dass die Maßnahme unterblieben ist, und das ist ein Behandlungsfehler.
Nun hat der Arzt die Beweislast dafür, dass die Maßnahme entgegen der Dokumentation doch durchgeführt wurde. Auf die Aussage des Personals kann er nicht hoffen, denn dieses wird keine zuverlässige Erinnerung haben. Es hilft auch nicht die Beteuerung des Arztes, er habe geglaubt, es handele sich um eine untergeordnete und deshalb nicht dokumentationsbedürftige Maßnahme. In aller Regel wird das Gericht deshalb in solchen Fällen zu einer Haftung des Arztes kommen.
Sowohl bei der Praxisübergabe als auch bei einer Arztpraxis Neugründung ist daher stets auf eine suffiziente Dokumentation zu achten. Gegebenenefalls sollte bezüglich der ärztlichen Dokumentation eine spezielle Ärztefortbildung mit dem Thema Haftungsfälle in der Arztpraxis absolviert werden.