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Praxisabgabe: Warum junge Ärzt:innen nicht aufs Land wollen

Drohende medizinische Unterversorgung durch Mangel an Risikobereitschaft

In ländlichen Regionen Deutschlands besteht ein erheblicher Mangel an Arztpraxen, insbesondere im hausärztlichen Bereich. Aktuell fehlen bundesweit etwa 5.000 Hausärzte, wobei der Mangel in ländlichen Gebieten besonders ausgeprägt ist. Prognosen zufolge wird sich diese Situation weiter verschärfen: Bis zum Jahr 2035 könnten deutschlandweit rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein.
Praxisabgabe - Warum junge Ärzte nicht aufs Land wollen
Und die Lage spitzt sich weiter zu. Aufgrund der demographischen Entwicklung innerhalb der Ärzte gehen immer mehr Hausärzte in Ruhestand. In den kommenden zehn Jahren werden über 50.000 Hausarztstellen neu zu besetzen sein, doch der Praxisverkauf wird immer schwerer, denn es fehlt der medizinische Nachwuchs. Kaum ein junger Arzt will nach seiner Ausbildung mehr eine Praxis kaufen. Was aber sind die Gründe für das Desinteresse der jungen Ärztean einer Praxisübernahme?


Ursachen des Ärztemangels

  • Demografischer Wandel: Viele Ärzte erreichen das Rentenalter, während nicht genügend Nachwuchs nachkommt.

  • Attraktivitätsdefizite: Junge Mediziner bevorzugen oft städtische Regionen mit besserer Infrastruktur und Lebensqualität.

  • Arbeitsbedingungen: Die hohe Arbeitsbelastung und bürokratische Anforderungen schrecken viele von einer Niederlassung auf dem Land ab.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter die Einführung der sogenannten "Landarztquote". Diese reserviert einen bestimmten Anteil der Medizinstudienplätze für Bewerber, die sich verpflichten, nach dem Studium in unterversorgten ländlichen Regionen tätig zu werden.

Ein fehlendes Interesse für die hausärztliche Tätigkeit, wie es von Verbänden und Kassenärztlichen Vereinigungen lange Zeit vermutet wurde, scheint es nicht zu sein. Dies zeigt eine bundesweite Umfrage der Universität Trier, an der 13,5% aller Medizinstudierenden in Deutschland teilnahmen. Mit 34,5% der Stimmen belegte das Fach Allgemeinmedizin den zweiten Platz innerhalb der Präferenzliste der zukünftigen Ärzte und landete damit knapp hinter der Inneren Medizin, die mit 45,6 % der Stimmen ausgewählt wurde.
Doch eine landärztliche Tätigkeitund Praxisübernahme  können sich trotzdem nur wenige Ärzte vorstellen. Auf die Frage Wo möchten Sie auf keinen Fall arbeiten sprachen sich 46,4% der jungen Ärzte gegen eine Tätigkeit in Kommunen mit weniger als 2000 Einwohnern aus. Gemeinden mit bis zu 5000 Einwohnern stießen nur bei 39,4% der Befragten auf Ablehnung. Hoch im Kurs stehen dagegen städtische Regionen beim Praxiskauf. Gefragt sind vor allem Hamburg, Berlin und Nordrhein- Westfalen.
Drohende medizinische Unterversorgung auf dem Land


Landleben ist öde

Mit ihrer Vorliebe für die Stadt sind die Ärzte nicht allein. Immer mehr junge Leute, aber auch junge Familien, wenden den ländlichen Regionen den Rücken zu und ziehen in die Metropolen. Dabei sind es nicht nur die besseren Ausbildungsaussichten und Jobaussichten, die die Attraktivität der Großstädte ausmacht. Anziehungsmagnet sind vor allem das städtische, urbane Lebensgefühl und die vielfältigen kulturellen Angebote, die in den kleinen Kommunen aufgrund klammer Kassen allzu oft dem Rotstift zum Opfer fallen.

Halten die Wanderungsbwegungen aus den ländlichen Regionen in die Ballungszentren an, so wird im Jahr 2030 bereits jeder dritte Bundesbürger im Einzugegebiet einer Großstadt wohnen. So prognostiziert es das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln.


Work-Life Balance nach der Praxisübernahme

Neben der geänderten Wohnsituation haben sich auch die Erwartungen der zukünftigen Ärzte an ihre zukünftige Berufstätigkeit gewandelt. Fast 95% der Teilnehmer der Trierer Umfrage wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf , 84% sprechen sich für geregelte Arbeitszeiten aus und 63,6% präferieren das Arbeiten im Team, was sie sich alles nach einer Praxisübernhame nicht vorstellen können. 60- 70 Stunden- Wochen nach dem Kauf einer Arztpraxis, wie sie bei Landärzten die Regel sind, und die Einzelkämpferposition des Arztes schrecken die Studierenden ab.
Work Life Balance nach der Praxisübernahme auf dem Land
Nicht unerheblich sind auch die finanziellen Risiken, die mit einem Praxiskauf auf dem Land verbunden sind. Dies liegt zum einen an der Altersstruktur der Bevölkerung. Durch die zunehmende Verstädterung ist die Zahl alter und multimorbider Patienten auf dem Land höher als in den stadtnahen Regionen, und mit ihr auch der Heilmittelbedarf. Innovative medizinische Angebote wie IGeL-Leistungen sind in der Arztpraxis auf dem Land schwerer zu vermitteln, Selbstzahler rar.


Zu viel Bürokratie für Ärzt:innen

Überschreitet der Landdarzt die von den KVen vorgegebenen Budgetgrenzen, drohen kostspielige Regresse. Zwar verspricht das neue Versorgungsstrukturgesetz eine Lockerung des Regressrisikos, doch klagen viele auf dem Land tätigen Ärzte auch weiterhin über die zum Teil bürokratischen und existenzgefährdenden Forderungen der KVen. Der Arztbveruf ist nicht mehr frei.

Unsicher ist zudem die Wertentwicklung ländlicher Praxen, wenn sich der bisherige Nachfragetrend weiter fortsetzt. Sicher scheint aber heute schon: Ob die Investition in eine Landarztpraxis als eine sichere gewinnbringende Form der Altersvorsorge sei, ist fraglich.


Maßnahmen gegen Ärztemangel

Maßnahmen gegen Ärztemangel
Bund und Kassenärztliche Vereinigung sind sich der prekären Lage durchaus bewusst. Reaktionen in Form von konkreten Maßnahmen zur Förderung des Arztpraxiskauf erfolgen aber nur sehr zögerlich und halbherzig. So wurde mit dem Versorgungsstrukturgesetz die Residenzpflicht abgeschafft. Hausärzte müssen immerhin seither nicht mehr an dem Ort wohnen, an dem sie praktizieren. Zudem wurde die Eröffnung von Zweigpraxen bzw. Praxisfilialen vereinfacht und der Kommunen das Recht eingeräumt eigene Arztpraxen oder ein Medizinisches Versorgungszentrum MVZ zu betreiben, in denen Ärzte im Angestelltenverhältnis arbeiten.
Dies scheint im Hinblick auf die Bedürfnisse der zukünftigen Ärzte, wie Teamarbeit und geregelte Arbeitszeiten bei hoher Work-Life-Balance - in der Arztrpraxis ein richtiger Schritt zu sein. Doch was bringt die vermeintliche Besserung der Arbeitszeiten, wenn sich nicht genügend Mediziner für Praxisübernahmen finden lassen? Um das Interesse für die Allgemeinmedizin unter Studierenden zu fördern wurde mit der Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung die Pflichtfamulatur beim Hausarzt eingeführt, um zukünftige Praxisübernehmer aufs Land zu locken.
Praxiskauf auf dem Land und nicht in der Stadt
Die Forderung nach einem Pflichtquartal Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr scheiterte am Widerstand der Studierendenschaft. Angesichts der nachweislichen Beliebtheit des Faches unter den Studierenden scheint ein solches auch als unangebracht und überzogen. Auch finanzielle Anreize sollen die Ärzte von Morgen aufs Land und zum Praxiskauf anhalten. 50.000 Euro Startzuschuss bietet etwa die KV Niedersachsen für eine Praxiseröffnung auf dem Land. Zusätzlich fordern Experten einen kräftigen Zuwachs der Vergütung von Landärzten. 

Resultate der Landarztquote
Die Landarztquote ist ein politisches Instrument in Deutschland, das seit 2020 schrittweise von den Bundesländern eingeführt wurde. Sie reserviert einen bestimmten Anteil (in der Regel 5–7?%) der Medizinstudienplätze für Bewerber:innen, die sich verpflichten, nach dem Studium für mindestens 10 Jahre in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten ländlichen Gebiet als Hausarzt/Hausärztin tätig zu sein.

  • Auswahl erfolgt außerhalb des regulären NC-Verfahrens (Numerus Clausus)
  • Motivation und Eignung werden über Auswahlgespräche, Berufserfahrung oder soziales Engagement geprüft
  • Vertragsstrafe (z.B. bis zu 250.000 €), falls die Verpflichtung nicht eingehalten wird

Hat die Landarztquote zu mehr Landärzten geführt?
Bisher nur begrenzt messbar, aber mit positiven Tendenzen. Aktueller Stand: Die Quote wurde erst ab 2020/21 eingeführt, d.h. die ersten Studierenden befinden sich noch im Studium (Regelstudienzeit: ca. 6 Jahre + 5 Jahre Facharztweiterbildung). Effekte auf die tatsächliche Zahl praktizierender Landärzte lassen sich erst ab ca. 2030 realistisch bewerten. Erste Einschätzungen:
Bewerberzahlen übersteigen die verfügbaren Plätze oft deutlich ? Interesse ist vorhanden. Stärkung der Hausarztversorgung langfristig möglich, sofern die Quote beibehalten und begleitet wird.

Fazit: Landarzt werden 
Resultate der Landarztquote
Der Landarztmangel scheint nicht die maßgeblich Folge einer mangelnden universitären Ausbildung im Fach Allgemeinmedizin zu sein, wie es seitens der Verbände so oft propagiert wurde. Er ist auch nicht allein auf eine Untervergütung der Landärzte zurückzuführen. Die Gründe scheinen vielmehr in den geänderten Ansprüchen an Wohnumfeld und Arbeitsbedingungen der jungen Ärzte zu liegen. Maßnahmen, sofern sie erfolgreich sein sollen, müssen dies im Hinblick auf die zu seltenen Praxisübernahmen auf dem Land behalten. 
Neben dem Bürokratieabbau seitens der KVen und des Zulassungsausschuß muss das Ziel sein, das Leben in den kleinen Kommunen wieder attraktiver zu machen. Und dies nicht ausschließlich für Ärzte.

Die Landarztquote ist ein strategisches Mittel zur langfristigen Sicherung der hausärztlichen Versorgung auf dem Land. Eine spürbare Entlastung wird voraussichtlich erst in den 2030er-Jahren eintreten. Frühindikatoren zeigen jedoch, dass das Instrument grundsätzlich funktioniert – sofern es mit weiteren Maßnahmen (z.?B. finanzielle Anreize, bessere Arbeitsbedingungen) kombiniert wird.
 
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14.01.2025

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